Powder-Paradies abseits von Kaliforniens Tech-Mekka

Die Skigebiete am Lake Tahoe umwerben Tech-Angestellte des Silicon Valley mit ihren spektakulären Ausblicken und Freeride-Pisten – und speziellen Ski-Apps.

Marie-Astrid Langer, Lake Tahoe
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Von den Skigebieten am Lake Tahoe eröffnet sich Skifahrern ein Panoramablick auf den Stausee und die Bergkette Sierra Nevada.

Von den Skigebieten am Lake Tahoe eröffnet sich Skifahrern ein Panoramablick auf den Stausee und die Bergkette Sierra Nevada.

Scott Sonner / AP

Das Silicon Valley ist nicht nur Amerikas Technologie-Mekka, es ist auch eine Talebene, wie der Name sagt, in der es mindestens die Hälfte des Jahres nicht regnet und die Temperaturen selten unter 10 Grad Celsius fallen. Der Kontrast könnte also kaum grösser sein zu den schneebedeckten Berglandschaften, die sich dem Skifahrer zu dieser Jahreszeit von den Gipfeln der Sierra Nevada aus eröffnen: weisse Bergrücken, vereiste Tannenwälder und unten im Tal der riesige, tiefblaue Lake Tahoe.

Austragungsort der Winterspiele 1960

Mit Aufnahmen solcher Landschaften umgarnen die Skigebiete der Region Lake Tahoe die zahlungskräftigen Tech-Angestellten des Silicon Valley. Gute drei Autostunden nordöstlich von San Francisco gelegen, ist «Tahoe» eines der grössten Naherholungsgebiete Kaliforniens – und bietet eine willkommene Abwechslung für all jene, die unter der Woche, im Grossraumbüro sitzend, am «next big thing» tüfteln.

Mit 500 Quadratkilometern etwa so gross wie der Bodensee, liegt der Stausee selbst genau auf der Grenze zu Nevada und wird von der Gebirgskette der Sierra Nevada umgeben, die sich längs durch Kalifornien zieht. Im Sommer zieht Lake Tahoe Wanderer, Camper und Schwimmer an, im Winter ist es eine der grössten Skiregionen Kaliforniens. «Tahoe» war auch der Austragungsort der Olympischen Winterspiele 1960, bei denen die Schweiz zwei Goldmedaillen im Riesenslalom gewann.

Seit jenen Tagen sind immer neue Skigebiete entlang der Ufer des Lake Tahoe entstanden, inzwischen gibt es mehr als ein Dutzend. Sie sprechen verschiedene Zielgruppen an: Die Skiorte am östlichen Seeufer sind vor allem für ihre Spielkasinos und das Nachtleben legendär, weil diese Form des Glücksspiels in Nevada, nicht aber in Kalifornien erlaubt ist.

Kalifornien hingegen setzt mit seinen Skigebieten ganz auf den Natureffekt. Insbesondere die Schwestergebiete Squaw Valley und Alpine Meadows, die einige der steilsten Abfahrten in der gesamten Region haben, locken ambitionierte Skifahrer und ihre Familien an. Die Angebote sind dabei klar an ein wohlhabenderes Publikum gerichtet: Für einen Tagesskipass am Wochenende muss man inklusive Steuern bis zu 195 Dollar zahlen, das Saison-Abo für Erwachsene kostet im regulären Verkauf stolze 1400 Dollar.

Hervorragende Schneequalität

Dem Schnee in Nordamerika wird nachgesagt, flockig-leicht zu sein, echter «Powder» eben. In Kaliforniens Sierra Nevada ist die Luft durch die Nähe zum Pazifik zwar feuchter als in der Bergkette der Rocky Mountains. Trotzdem ist die Schneequalität am Lake Tahoe so hervorragend, wie man sie in den Alpen nur wenige Tage im Jahr erlebt. Zu verdanken ist das auch den durchschnittlich fast 12 Metern Schneefall pro Jahr; vergangene Saison war Squaw Valley dank insgesamt 20 Metern Schnee gar bis Juli geöffnet.

Ausgangsorte für Besucher sind die beiden mit den Skigebieten gleichnamigen Nachbarorte, jeweils gut zehn Autominuten von Tahoe City entfernt und auf knapp 2000 Metern gelegen. Von hier aus erreicht man zu Fuss mehrere Sessellifte sowie in Alpine Meadows auch eine Gondelbahn, welche die Besucher auf 2500 Meter Höhe bringt. Kaffeeliebhaber erwartet im Skigebiet von Squaw Valley eine besondere Überraschung: Der erste Pistenableger von Starbucks mit «ski-through» wurde hier 2012 eröffnet.

Versteckte Gefahr

Der grösste Kontrast zu Europa ist neben dem Schnee, dass die Pisten nicht abgesteckt oder durch Schneemauern begrenzt sind. Wirklich gespurt sind nur eine Handvoll Abfahrten, der Rest ist zum Freeriden gedacht – wobei die Übergänge fliessend sind. Folglich ist die Grösse des Skigebiets auch nicht in Abfahrtskilometern angegeben, sondern in Fläche: 25 Quadratkilometer Hänge bieten Squaw Valley und Alpine Meadows kombiniert.

Dem Skifahrer ist es selbst überlassen, ob er durch die Mitte des Hanges brettert oder Slalom durch die Nadelwälder fährt, die vor allem die tiefer gelegenen Abfahrten säumen. Letzteres birgt jedoch eine Gefahr, mit der vor allem europäische Touristen nicht rechnen, weil sie in den Alpen kaum vorkommt: «tree wells». So nennt man den zum Teil metertiefen Raum, der sich entlang eines Baumstamms bildet, weil die Tannenäste diesen Bereich abschirmen. Der sich darunter ansammelnde Schnee ist weniger stabil und kann zu einer tödlichen Falle für Skifahrer werden, wenn sie stürzen und kopfüber in einen solchen Schneeschacht fallen.

Sich selbst zu befreien, ist fast unmöglich; gleichzeitig sind die Verunfallten für die Retter kaum ausfindig zu machen, weil Baumäste und Schneemassen sie verdecken. Jedes Jahr kommen durchschnittlich vier Skifahrer in den USA in einem «tree well» ums Leben, meist durch Ersticken. Auch in Squaw Valley und Alpine Meadows warnen Schilder vor dieser Gefahr und raten, nie allein durch Wälder zu fahren und Sichtkontakt zu seinen Begleitern zu halten.

Eine App für die Piste

In einem solchen Notfall, aber auch beim normalen Skifahren fern der Wälder kommt ein technisches Angebot zum Tragen, das vor allem die Skigäste aus dem Silicon Valley schätzen dürften: die «Squaw Valley Alpine Meadows»-Smartphone-App. Mit dieser kann man nicht nur Notrufe absenden – im ganzen Skigebiet gibt es drahtloses Internet –, sondern auch mit seinen Begleitern eine Gruppe gründen und sie so im Lift oder auch auf der Piste orten und mit ihnen Nachrichten austauschen.

Die App stachelt auch das Konkurrenzdenken an, das bekanntlich im Silicon Valley weit verbreitet ist: Sie erfasst, wie viele Kilometer und wie viele Höhenmeter jemand gefahren ist und stellt Ranglisten innerhalb einer Gruppe sowie unter allen App-Nutzern auf. Neben solchen Spielereien ist auch nützlich, dass man die Wartezeit an den Skiliften sieht und seine Abfahrten entsprechend planen kann. An stürmischen Tagen kann man zudem verfolgen, wie das Wetter an den verschiedenen Liften ist und welche noch geöffnet haben.

Angesichts von so viel Technologie überrascht, wie veraltet die Lifte in beiden Skigebieten sind. Im Gegensatz zu Europa gibt es kaum solche, die sechs oder mehr Personen gleichzeitig transportieren, auch Fussstützen fehlen an fast allen Liften, von der Annehmlichkeit eines beheizten Sitzes ganz zu schweigen. Überraschend ist auch, dass es bei einem so teuren Skipass keine direkte Verbindung zwischen den beiden Schwestergebieten Squaw Valley und Alpine Meadows gibt; Skifahrer müssen in einen Bus oder das eigene Auto steigen, um von einem Gebiet ins andere zu wechseln. Bald wird sich das jedoch ändern: Für zehn Millionen Dollar bauen die Betreiber des Skigebiets gerade einen Acht-Personen-Sessellift, mit dem man innert einer Viertelstunde die Skigebiete wechseln kann.

Gut zu wissen

Anreise: Mehrere Skibusse pendeln zwischen dem Silicon Valley und Lake Tahoe, darunter North American Charter Ski und Tahoe Ski Trips . Sie bieten auch Skipässe im Paket an.

Alternativen zum Skifahren: Auch wer nicht Pistenskifahrer ist, findet in Tahoe ein breites Angebot an Wintersportmöglichkeiten, von Schneeschuhwandern bis hin zu Skitourengehen auf die Berggipfel der Sierra Nevada. In der Nähe des Sees gibt es zudem Loipen für Klassik- und Skating-Stil.

Unterkünfte: The Village at Squaw Valley: Der Skiort ist eine für Touristen geschaffene Kleinstadt am Fuss des Skigebiets. Der gleichnamige Hotelkomplex liegt in Gehdistanz zu den Liftanlagen. – Resort at Squaw Creek: Der Skilift nach Squaw Valley fährt an der hoteleigenen Station los. Gegenüber dem ruhig gelegenen Viersternehotel gibt es zwei Langlaufloipen. – In Tahoe City finden sich weitere, auch preisgünstigere Unterkünfte.

Die oben genannten Hotels sowie das Skigebiet Squaw Valley Alpine Meadows haben den Rechercheaufenthalt unterstützt.

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