Wie baut man innerhalb von Tagen zwei Krankenhäuser für Corona-Patienten? «Die Chinesen haben enorm schnell ihre Kräfte mobilisiert»

In Wuhan sind innert weniger Tage zwei Krankenhäuser aus dem Boden gestampft worden. Die in Peking lebende Architektin Binke Lenhardt erklärt, wie das in so kurzer Zeit möglich gewesen ist.

Matthias Müller, Peking
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In Wuhan wurde dieses Spital für mit dem Coronavirus Infizierte innerhalb von wenigen Tagen hochgezogen.

In Wuhan wurde dieses Spital für mit dem Coronavirus Infizierte innerhalb von wenigen Tagen hochgezogen.

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Wie ist es China gelungen, in der Hauptstadt der zentralchinesischen Provinz Hubei, Wuhan, innerhalb weniger Tage zwei Krankenhäuser zu bauen?

China hat während der Sars-Krise mit solchen Projekten Erfahrungen gesammelt. 2003 wurde im Norden Pekings auf dem Gelände des Xiaotangshan-Spitals innert sieben Tagen ein Krankenhaus gebaut. Am 23. April 2003 begannen die Bauarbeiten. Sechs Tage später war der Bau fertig. Am 30. April wurde das Spital mit einer Fläche von 25 000 Quadratmetern und 1000 Betten eröffnet. Allerdings ist der Begriff Spital irreführend. Eine Bezeichnung wie Quarantänestation trifft die Funktion des Baus besser, weil dort keine Operationen oder dergleichen durchgeführt worden sind. Es ging allein um die Behandlung der mit dem Sars-Virus Infizierten.

Und der Bau im Norden Pekings vor 17 Jahren lieferte die Grundlage für die beiden Projekte in Wuhan?

Ja. Laut den Angaben der chinesischen Behörden kam wegen der schwierigen medizinischen Lage in Wuhan das Städtebaubüro am 23. Januar erstmals zusammen. Bereits einen Tag später wurde mit dem Bau begonnen. Das Huoshenshan-Spital für rund 1000 Infizierte und mit einer Fläche von 34 000 Quadratmetern ist am 2. Februar fertiggestellt worden. Einen Tag später wurden die ersten mit dem neuartigen Coronavirus Infizierten eingeliefert.

Warum geht der Bau so schnell?

Es handelt sich um eine modulare Bauweise. Das Gebäude wird aus verschiedenen Paneelen zusammengesetzt. Es gleicht einem Baukastensystem. Die fertigen Teile werden an die Baustelle geliefert, dort sortiert, aufgestellt und miteinander verbunden. Aufgesetzt wurden die Bodenplatten und Wände vermutlich auf Fundamentstreifen. Dadurch wird ein Höhenunterschied zum Boden gewährleistet, und das Wasser kann nicht leicht eindringen.

Wie sehen die Krankenzimmer in Wuhan aus?

Bei den beiden Spitälern in Wuhan besteht eine Standardeinheit aus zwei Zimmern, zwei Nasszellen sowie einem Eingangsbereich. Diese haben immer die gleiche Grösse und werden vor Ort entlang eines Korridors in einer gewissen Anzahl angeordnet. Die Wände bestehen aus Stahlrahmen mit Verbundplatten und Isolierung. Sie sind wasserfest. In so kurzer Zeit liess sich kein zentrales Heizungssystem errichten. Deswegen werden die Gebäudeteile über Klimaanlagen und einzelne Heizvorrichtungen versorgt. Zudem sind Warmwasserboiler vorhanden.

Wie geht man mit dem Abwasser um?

Ein Teil der Versorgungsleitungen kann unter den angehobenen Gebäudeteilen entlang- und weggeführt werden. Das Spital verfügt ausserdem über zwei Abwassersysteme. Wenn eine Störung auftritt oder eine Wartung notwendig ist, wird das Ersatzsystem eingesetzt. Auch das gesammelte Regenwasser wird individuell aufbereitet.

Die Architektin Binke Lenhardt sagt über die innert weniger Tage in Wuhan gebauten Spitäler: Es sind keine Bauten für die Ewigkeit.

Die Architektin Binke Lenhardt sagt über die innert weniger Tage in Wuhan gebauten Spitäler: Es sind keine Bauten für die Ewigkeit.

Binke Lenhardt

Besteht nicht die grosse Gefahr, dass die Umwelt durch die Quarantänestationen verseucht wird?

Die chinesischen Behörden haben mitgeteilt, dass die beiden Spitäler in Wuhan die Anforderungen für Krankenhäuser mit dem Fokus auf Behandlung von Infektionskrankheiten erfüllen. Das gesamte Fundament des Geländes ist zusätzlich mit einer HDPE-Membran, was für «High-Density Polyethylene Impermeable Membrane» steht, abgedeckt. Dadurch wird sichergestellt, dass kein kontaminiertes Abwasser austreten kann.

Wie sicher sind die Gebäude?

Es handelt sich um ein- oder zweigeschossige, leichte Gebäudeteile. Solche temporären Strukturen sind erprobt und schon oft eingesetzt worden. Punkto Statik mache ich mir deshalb keine grossen Sorgen.

Sind die Spitäler in Xiaotangshan und Wuhan Bauten für die Ewigkeit?

Nein, sie erfüllen allein den Zweck, dass die Infizierten behandelt werden können. Die Spitäler sollen nach dem Ende der Epidemie demontiert werden. Auch in anderen Krisensituationen werden solche temporären Strukturen errichtet – etwa Notunterkünfte in einem von einem Erdbeben verwüsteten Gebiet. Sie lassen sich schnell errichten und erfüllen für einen überschaubaren Zeitraum einen bestimmten Zweck.

Nimmt China bei der Erstellung solcher Spitäler eine Vorreiterrolle ein?

So weit würde ich nicht gehen. Die Grundlage bilden Systeme, die bereits existieren. Interessant an dem chinesischen Vorgehen ist, dass die Planungen anderen lokalen Provinzregierungen offen zugänglich gemacht werden, so dass sie bei einer Krise schnell reagieren können. In einem Punkt macht den Chinesen jedoch keiner etwas vor: Sie haben enorm schnell ihre Kräfte mobilisiert, die Bauteile in Werkshallen vorgefertigt und anschliessend aufgestellt.

Das Spital in Wuhan wurde nach dem Baukastenprinzip aus einzelnen Fertigelementen zusammengesetzt.

Das Spital in Wuhan wurde nach dem Baukastenprinzip aus einzelnen Fertigelementen zusammengesetzt.

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