«Ich bin eine Mailänder Schweizerin» – warum die Verlegerin Hoepli keinen italienischen Pass will

Barbara Hoepli leitet einen der wichtigsten Verlage Italiens und präsidiert dort die Schweizerische Handelskammer. Die 49-Jährige ist Auslandschweizerin in fünfter Generation – und verzichtet gerne auf italienische Medien.

Peter Jankovsky, Lugano
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Geschäftsführerin Barbara Hoepli. Buchhandlung Hoepli in Mailand.

Geschäftsführerin Barbara Hoepli. Buchhandlung Hoepli in Mailand.

Joël Hunn / NZZ

Sie denkt schnell und spricht schnell. Mal sanft, mal entschieden, dann wieder schalkhaft. Barbara Hoepli kann während eines öffentlichen Talks auch spontan hinter den Kulissen verschwinden und mit einem Stoss dicker Bücher wieder auftauchen. So hat es sich kürzlich in Lugano abgespielt, als der Publikumsrat des Radios und Fernsehens der italienischen Schweiz und die Tessiner Journalistenvereinigung sie zu einem Podiumsgespräch eingeladen haben.

Erheitert ist man, wenn die Verlegerin und Buchhändlerin Hoepli nach dem Talk ihre Visitenkarte zückt. Auf der einen Seite erblickt man nämlich das Familienwappen mit dem Motto «In labore virtus et vita» («In Arbeit gründet die Tugend und das Leben»). Dazu gesellt sich die Jahreszahl 1870: Damals zog Barbara Hoeplis Vorfahre Johann Ulrich Höpli, aufgewachsen im thurgauischen Tuttwil, nach Mailand. Zu jener Zeit blühte die lombardische Metropole wirtschaftlich auf und lockte viele Schweizer an.

Buchhandlung liegt an der gleichnamigen Strasse

Der Neuankömmling kaufte kurzerhand einem Österreicher dessen Buchhandlung ab. Rasch gelang es Höpli, diese zu einem Verlag auszubauen – zu einem der wichtigsten in ganz Italien. Legendär ist noch heute das 1877 herausgegebene Ingenieurshandbuch. Mittlerweile hat das Verlagshaus Hoepli seine Buchhandlung und Zentrale an der Via Hoepli 5 in Mailands Innenstadt und generiert einen grossen Teil des Umsatzes mit Lehrmitteln.

Heuer feiert der Verlag sein 150-jähriges Bestehen. Somit befindet sich Barbara Hoepli, die Verwaltungsratspräsidentin der Casa Editrice Hoepli, in besonderer Stimmung. Ihre Familie verdanke Mailand und Italien viel, betont sie im Gespräch mit der NZZ mehrmals. Genau deshalb hat Hoepli letztes Jahr auch die Präsidentschaft der Schweizerischen Handelskammer in Italien übernommen: Durch die Förderung der gegenseitigen wirtschaftlichen Beziehungen könne ihre Familie auch etwas für ihr langjähriges Gastland tun. Besagte Handelskammer feierte 2019 ihren hundertsten Geburtstag, und die Verlegerin Hoepli ist die erste Frau an deren Spitze. «Diese Tatsache stellt eine Anerkennung der wirtschaftlichen Leistungen von uns Frauen dar, es soll als Beispiel für die junge Generation dienen.»

Italien ist der drittwichtigste Wirtschaftspartner der Schweiz. Dementsprechend ernst nimmt Hoepli ihre Aufgabe als Präsidentin der Handelskammer. Allgemein spreche man nur wenig vom potenziellen Handelsvolumen zwischen den beiden Ländern – dabei sei es aussergewöhnlich hoch, sagt die 49-Jährige erstaunt. Es ist ihr aber nicht nur ein Anliegen, Schweizer Firmen bei der Ansiedelung in Italien zu helfen und dabei das Gütesiegel der Swissness zu betonen. Die Etablierung italienischer Unternehmen in der Schweiz, wo eine viel schlankere und wirtschaftsfreundlichere Bürokratie herrscht, hält sie für ebenso wichtig.

Die Ansprechpartner für Firmen wechseln mit der Regierung

Weiter will Barbara Hoepli die Schweizer Werte in Italien propagieren und die Freundschaft zwischen beiden Ländern fördern. Und dabei Vorurteile beseitigen: Laut ihren Worten denken viele Italiener, die Schweizer seien von der Mentalität her verschlossene Menschen. Doch aus Hoeplis Sicht sind ihre Landsleute mehrheitlich offen, innovativ und haben viel Gemeinsinn.

Auf der anderen Seite betont die Verlegerin, dass man besonders in Norditalien über viele Ressourcen verfüge und eine hohe Arbeitsmoral habe – ganz gemäss dem Motto der Familie Hoepli. Kaum stünden aber die Schweizer Firmen vor dem Abschluss ihrer Verhandlungen mit den italienischen Behörden, wechsle oft die Regierung und mit ihr die Ansprechpartner für die Unternehmen. Eine typisch italienische Krankheit, meint die Verlegerin und lacht.

«Ich bin eine Mailänder Schweizerin» – so definiert Barbara Hoepli, Auslandschweizerin in der fünften Generation, ihre Swissness. Diese liegt ihr derart am Herzen, dass die in Mailand Geborene nur den Schweizer Pass hat und nicht auch noch den italienischen. Hoeplis wahre Heimat ist die Eidgenossenschaft, in welcher aus ihrer Sicht die Zivilgesellschaft bestens funktioniert. Ebenso beeindruckt ist sie vom demokratischen Bewusstsein der Schweizer Bevölkerung und deren Solidarität mit dem Staat – eine Haltung, welche die Verlegerin in Italien nur schwach ausgeprägt findet.

Spricht Barbara Hoepli noch Schweizerdeutsch? Bestenfalls gar den Thurgauer Dialekt? Dieser habe sich im Laufe der Zeit leider verloren. Zwar verstehe sie die Sprache der Schweizer Bevölkerungsmehrheit gut, doch an ihren aktiven Deutschkenntnissen müsse sie weiter feilen, gibt Hoepli augenzwinkernd zu. Ausserdem legt sie punkto Medien ein spezielles Verhalten an den Tag: Wenn sie in der Schweiz weilt, dann konsumiert sie nur die hiesigen TV- und Radiosender. Denn deren Beiträge seien qualitativ meist hochstehender als jene der italienischen Medien. Dank dem Schweizer Fernsehen habe sie ihre Allgemeinbildung erweitert und neue Interessengebiete entdeckt, sagt die studierte Kommunikationswissenschafterin und Wirtschaftspsychologin Hoepli.

Zum Lesen hat sie nur in der Nacht Zeit

Dauerhaft in der Schweiz leben kann sie aber nicht. Ihr berufliches Umfeld ist und bleibt in Mailand. Den Verlag sieht die Mutter zweier Töchter als einen Sohn an – und der sei nun mittlerweile 150 Jahre alt, scherzt Barbara Hoepli. Aber hat die Vielbeschäftigte überhaupt noch Zeit fürs Lesen selber? «In der Nacht, wie alle anderen auch, c’est la vie.»

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