Hinter der rätselhaften Epidemie von Lungenerkrankungen in China steckt ein neues Coronavirus

Laut der Weltgesundheitsorganisation und chinesischen Forschern sind die erkrankten Personen in der Grossstadt Wuhan Träger eines neuen Coronavirus. Zu dieser Virusfamilie gehören harmlose Erkältungserreger, aber auch das Sars-Virus.

Alan Niederer
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Mit einer Wärmebildkamera messen südkoreanische Beamte am Flughafen bei Einreisenden aus China die Körpertemperatur.

Mit einer Wärmebildkamera messen südkoreanische Beamte am Flughafen bei Einreisenden aus China die Körpertemperatur.

Yonhap / EPA

Die Ausbreitung einer mysteriösen Lungenentzündung in der zentralchinesischen Metropole Wuhan dürfte auf ein neuartiges Coronavirus zurückgehen. Dies teilte die Weltgesundheitsorganisation nach Agenturberichten am Donnerstag in Peking mit. Das chinesische Staatsfernsehen CCTV publizierte dieselbe Einschätzung. Anhand erster Untersuchungen seien die in den Fall involvierten Experten zum Schluss gekommen, dass die Krankheit auf einen neuen Typ dieser Virusfamilie zurückgehe.

Wie der Wissenschafter Xu Jianguo gegenüber CCTV sagte, habe man das neue Virus bei fünfzehn Patienten mithilfe einer Untersuchung zur Erkennung des Erbguts nachgewiesen. Bei einem Patienten sei zudem die volle Gensequenz des Virus bestimmt worden. Der aus dem Körper der Patienten isolierte Erreger zeige ausserdem unter dem Elektronenmikroskop das typische Aussehen eines Coronavirus. Dieses ähnelt wegen seiner Oberflächenbeschaffenheit einer Krone – was dem Virus auch seinen Namen gegeben hat.

Beim Menschen sind verschiedene Coronaviren bekannt

Coronaviren kommen beim Menschen wie auch in der Tierwelt vor. Nach Informationen der internationalen Gesellschaft für Infektionskrankheiten waren beim Menschen bisher sechs verschiedene Coronaviren bekannt. Vier davon sind wenig pathogen und lösen meist nur Erkältungssymptome und Magen-Darm-Beschwerden aus. Zwei andere Coronaviren haben in der Vergangenheit für Angst und Schrecken gesorgt. Das ist zum einen das Virus der oft tödlichen Lungenerkrankung Sars (Severe Acute Respiratory Syndrome) sowie der Erreger der verwandten Störung Mers (Middle East Respiratory Syndrome).

Als wie gefährlich das neue Coronavirus einzustufen sei, sei derzeit noch unklar, schreibt die internationale Gesellschaft für Infektionskrankheiten in ihrer jüngsten Information. Dafür müssten erst weitere wissenschaftliche Untersuchungen durchgeführt werden. Wie der Schweizer Seuchenexperte Christian Griot vom Institut für Virologie und Immunologie in Mittelhäusern bei Bern sagt, sprechen erste Beobachtungen allerdings gegen eine leichte Mensch-zu-Mensch-Übertragung. Das stimme ihn zuversichtlich, dass das neue Virus nicht mit dem aggressiven Sars-Erreger zu vergleichen sei.

Die Sars-Epidemie nahm Ende 2002 in Südchina ihren Anfang und forderte bis zur Eindämmung 774 Menschenleben. Das Virus zirkuliert normalerweise in Fledermäusen. Es wird vermutet, dass es von infizierten Zibetkatzen und Marderhunden an Tiermärkten auf den Menschen übertragen wurde. Anders ist die Situation beim Mers-Erreger, der erstmals 2012 auftauchte und ebenfalls mit tödlichen Krankheitsverläufen in Verbindung gebracht wird. Damit infizieren sich vor allem die Halter von Kamelen. Weil der Mers- wie auch der Sars-Erreger von Mensch zu Mensch übertragen werden kann, sind aber auch Ansteckungen ohne Kontakt zu infizierten Tieren möglich.

Ein Markt als mögliche Quelle für die Epidemie

Bisher ist die mysteriöse neue Infektionskrankheit in Wuhan bei 59 Personen bestätigt worden. Sie alle hatten Symptome wie hohes Fieber, Atemprobleme und Läsionen in den Lungen entwickelt. Nach den jüngsten Angaben konnten acht Personen das Spital wieder verlassen. Der Zustand von sieben Patienten galt zuletzt noch als kritisch. Todesfälle gibt es bis anhin keine.

Als Virologe interessiere er sich am meisten für die Frage, woher der neue Krankheitserreger stammt, sagt Griot. Wie bei Sars und Mers tippt er auf das Tierreich. Die Frage sei nur, von welchem Tier das neu aufgetauchte Virus auf den Menschen übergesprungen sei. Die chinesischen Behörden verdächtigen einen Markt in Wuhan, wo neben Fischen auch Wildtiere verkauft wurden.

Botschaft in Peking gibt Reisewarnung aus

Als Reaktion auf den Ausbruch der Lungenkrankheit hat die amerikanische Botschaft in Peking laut Agenturmeldungen eine Reisewarnung ausgesprochen. Reisende nach Wuhan sollen Tiermärkte sowie den Kontakt mit Tieren und ungekochtes Fleisch meiden, heisst es auf der Website. Auch sollen sie kranken Personen aus dem Weg gehen und sich die Hände häufig waschen. Wer in Wuhan gewesen sei und sich krank fühle, solle umgehend medizinische Hilfe suchen und den Kontakt mit anderen vermeiden. Über diese Empfehlungen hinaus seien derzeit für Länder wie die Schweiz keine weiteren Massnahmen oder Warnungen nötigt, sagt der Berner Virologe Griot.

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