Wildfremde zu küssen, ist in diesen Tagen selbstverständlich tabu. Selbst der Handschlag steht unter Generalverdacht. Was also ist zu tun, wenn man sich begegnet? Wir stellen ein paar Alternativen vor.
Nun prophezeien ja schon einige das Ende des guten alten Pfötchengebens, zu dem man als Kind noch richtiggehend genötigt wurde. Und tatsächlich: So mancher, der dieser Tage jemandem die Hand zum Gruss entgegenstreckt, sieht jene des Gegenübers hinter dem Rücken verschwinden. Das ist absolut konform mit den Empfehlungen des Bundesamts für Gesundheit, selbst an Privatfesten halten sich inzwischen viele daran (erst beim Abschied nach ein paar Gläschen Wein fallen sich dann alle enthemmt in die Arme).
Aber dass sich Leute nun während Monaten nur mit einem trockenen «Hallo» gegenübertreten, allenfalls gar wort- und grusslos wie zwei Revolverhelden im Western, kann’s doch nicht sein! Also fragen wir, frei nach dem berühmten Romantitel «Die Liebe in den Zeiten der Cholera»: Wie könnte es gehen, das Grüssen in den Zeiten von Corona?
Just aus dem Kontinent, in dem die Verbreitung des Erregers ihren Ursprung nahm, drängt sich eine Reihe von gesundheitlich unbedenklichen Alternativen zum Händedruck auf. Wunderbar schlicht ist das indische Namaste, in Thailand als Wai-Gruss bekannt. Es hat den Vorteil, durch den weltweiten Siegeszug von Yoga, Thai-Food und Thai-Massagen bereits international geläufig zu sein. Anders als beim «high five» klatschen nicht fremde Handflächen laut gegeneinander, sondern die eigenen kommen still zusammen, während man sich leicht verneigt. Als ebenso empfehlenswert, aus theologischer wie aus virologischer Sicht, gelten die hierzulande üblichen Gesten bei der Kontaktaufnahme nach ganz oben: Ob die Hände nun gefaltet oder aneinanderlegt werden, Betende kontaminieren höchstens sich selbst.
Auch das Füsseln, von heimlich Verliebten seit eh und je ganz inoffiziell unter dem Tisch praktiziert, scheint zum offiziellen Begrüssungsritual prädestiniert: Es bietet den unschätzbaren Vorteil, dass die eigenen Schuhe nur selten in Kontakt mit dem eigenen Gesicht oder gar Mund kommen. Zu warnen ist indes davor, dass nicht alle darin geübt sind, auf einem Bein die Balance zu halten. Es besteht also das Risiko, dass jemand unvermittelt das Gleichgewicht verliert, sich dann reflexartig am Gegenüber festhält, dieses mit zu Boden zieht, wo sich schliesslich die Münder . . . Nein, aufhören, sofort!!!
Eine Renaissance erleben könnte überdies die Verbeugung, wenngleich sie uns Antimonarchisten zunächst befremdlich vorkommen mag. Nicht nur aus frisurentechnischen Gründen ist allerdings darauf zu achten, dass der Knicks nicht allzu tief ausfällt: Auf dem Trottoir lauern bekanntlich die übelsten aller Keime.
Die schöne Tradition des Winkens, wie jene des Hutziehens oder der Kusshand, kennen wohl viele nur noch von Schwarz-Weiss-Filmen, in denen Zurückbleibende den abfahrenden Zügen nachrennen und wie wild ihr Taschentuch schütteln. Von solcher Betätigung einer potenziellen Virenschleuder ist zwar dringend abzuraten, aber gegen ein sanftes Kreisen der Handfläche als kurzes Begrüssungssignal ist nichts einzuwenden. Es kann zudem wie ein Stoppschild aus Fleisch und Blut wirken, so dass das Gegenüber instinktiv auf Distanz bleibt.
Nebst dem Fussschlag in China besonders propagiert wird zurzeit die traditionelle Gong-Shou-Geste. Allerdings droht der Einsatz in manchen Ländern wüste Schlägereien zu provozieren, wegen hoher Verwechslungsgefahr: Es gibt da dieses obszöne Pendant, bei dem die Faust mehrfach gegen die Handfläche schlägt.
Leicht jovial bis staatsmännisch kann das seitliche Schulterklopfen wirken, wird aber meist als Zeichen freundlicher Gesinnung aufgefasst. Bloss haben einige saloppe Zeitgenossen die fragwürdige Angewohnheit, sich ausgerechnet mit dem Oberarm den Rotz von der Nase zu streifen. Wer sein Gegenüber an jener Stelle anfasst, sollte sich danach also vorsichtshalber genauso extensiv waschen wie nach einem Händedruck. Und man lasse sich durch die eingenommene Stellung bitte nicht dazu verleiten, reflexartig diese öden drei Küsschen zu verteilen: links, rechts, links. Ein fester, trockener Kuss auf eine einzige Backe vermittelt doppelt so viel Herzlichkeit und reduziert die Ansteckungsgefahr auf einen Drittel.
Für unseren pubertierenden Nachwuchs bis zum, sagen wir: dreissigsten Lebensjahr ist der Fist-Bump eine altersgerechte, valable Form, unter Halbstarken im Stimmbruch vorzugsweise mit einem «He, bro!» untermalt. Strengstens zu beachten ist indes, dass die Faust vorher nicht im eigenen oder in einem fremden Mund gesteckt haben darf, so dass weder Babys noch Schlägertypen diesen Gruss praktizieren sollten.
Mit einem «Heureka!» schliesslich begrüssen die Präventivmediziner wohl den Ellenbogengruss, der im Buch «The Viral Storm» schon vor zehn Jahren dringend empfohlen worden ist. Er vereint perfekt das Bedürfnis nach Nähe mit jenem nach etwas Abstand. Selbst ein offensiver Schweizer Talkmaster und die Fernsehdirektorin, die seine Sendung abgesetzt hat, haben ihn jüngst gemeinsam am Bildschirm praktiziert. Auch da ist indes ein potenzielle Hygieneproblem nicht von der verseuchten Hand zu weisen: Der Ellbogen ist unerhört nah bei der Armbeuge – und in diese sollte man doch jetzt niesen oder husten, um die Handfläche nicht zu kontaminieren . . . Ach, es ist alles so kompliziert! Bleiben wir besser zu Hause.