Klopapierkrise? Selber schuld! Im Orient hat man schon längst eine bessere Option

In der Migros könnte man meinen, Ebola, nicht Corona, sei ausgebrochen. Für die akute Toilettenpapier-Knappheit hält der Orient mit der Gesässdusche eine geniale Lösung parat.

Susanna Petrin, Kairo
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Mein Schatz – echt? Für das Graffiti im Berliner Mauerpark hätten Menschen aus anderen Kulturen wenig Verständnis.

Mein Schatz – echt? Für das Graffiti im Berliner Mauerpark hätten Menschen aus anderen Kulturen wenig Verständnis.

Markus Schreiber / AP

Oral fixierte Katholiken horten Wein, anal fixierte Protestanten hamstern WC-Papier. Muslime haben keines von beidem nötig. Alkohol und schmutzige Hintern, beides ist haram – Sünde. Man trinkt lieber Softdrinks und wäscht sich weiter unten mit Wasser. In Zeiten leergefegter Hygieneartikel-Regale ist es also höchste Zeit, dass die Schweizerinnen und Schweizer sich die genialste ägyptische Erfindung seit den Pyramiden abschauen: die Shatafa. Auf Deutsch: die WC- oder Gesässdusche.

Nur Papier? Pfui!

Die Shatafa ist eine Wasserspritze. Entweder hängt sie als Duschschlauch neben dem WC, oder sie ist als Düse direkt in die Toilettenschüssel eingebaut, wo sie sich per Knopfdruck oder Drehung betätigen lässt. Nur auf das letztere Alles-in-einem-Modell erheben die Ägypter Patentanspruch, derweil das nach einem ähnlichen Prinzip funktionierende Bidet eine französische Erfindung aus dem 17. Jahrhundert ist.

Diese nierenförmige Keramikschüssel soll aber gemäss Intimhygiene-Forschern ursprünglich vor allem als – nicht besonders zuverlässiges – Verhütungsmittel für Frauen gedient haben. Unanständige Soldaten trafen das Bidet in Kriegszeiten in jedem anständigen Bordell an; entsprechend geriet es im Westen in Verruf und setzte sich das Papier dagegen durch. Aus hygienischer Sicht: zu Unrecht.

Für Orientalen sind Westler also Wesen, die mit unsauberem Hintern herumlaufen. Ein Bekannter wurde in einem indischen Dorf so lange gesellschaftlich geächtet, bis herauskam, dass die Menschen Angst hatten, er könnte derart halbbatzig papieren geputzt bei ihnen zum Abendessen auftauchen. Er versprach, sich jeweils vorher zu duschen. Sein Sozialleben verbesserte sich schlagartig.

Kulturschock

Für Bewohner arabischer Länder sowie in weiten Teilen Asiens gibt es keine schlimmere Vorstellung, als auf einer Toilette nur Papier vorzufinden, egal ob zwei-, vier- oder sechslagig. Auf einer Amerika- oder Europa-Reise ist das Nichtvorhandensein einer Shatafa der allergrösste Kulturschock.

«Als ich nach Deutschland kam, konnte ich nicht glauben, dass dieses saubere Europa, von dem wir im Fernsehen und in der Schule gehört hatten, eine so elementare Einrichtung wie die Shatafa nicht kennt», schreibt ein Ägypter, der nach Berlin emigriert ist. Und ein ägyptischer Freund sagt: «Ich kann mir nicht vorstellen, wie jemand ohne Shatafa leben kann.»

Vor einigen Jahren ist das Reisen für einen grossen Teil der Welt leichter geworden: Es gibt jetzt die portable Shatafa. Eine flexible Silikonflasche mit einem gewinkelten Duschkopf dran. Die Arabischlehrerin, die in Kairo viele Ausländer unterrichtet, verlässt das Haus nicht mehr ohne ihre Reise-Shatafa der Marke «Smart Buzz», sogar wenn sie in der Stadt bleibt. Ägyptische Freunde, die sich in Bern niedergelassen haben, installierten derweil recht bald ihre eigene Shatafa fix in den Badezimmern. Die eine Familie hat mit einem günstigen Kaltwasser-Schlauch von der Migros vorliebgenommen, die andere hat sich eine vollautomatische De-luxe-Version samt Föhn gegönnt. Solche superintelligenten Toiletten sind übrigens in Japan Standard.

10 Millionen Bäume

Das Coronavirus kommt ebenso aus China wie jede Art von Papier. Globale Probleme verlangen nach einer globalen Lösung. Der schlimmste Pandemie-Nebeneffekt, die Toilettenpapier-Knappheit, liesse sich mit einer Shatafa rasch in den Griff bekommen. Mit dreifachem Gewinn. Die Angst, dass der Nachbar einem das letzte Blatt wegschnappt, erübrigt sich. Der Hygiene-Index schnellt nach oben. Drittens: Die Gesässdusche leistet einen aktiven Beitrag zur Senkung der CO2-Emissionen. Gemäss dem Buch «Bum Fodder. An Absorbing History of Toilet Paper» spült die Menschheit nämlich pro Tag 27 000 Bäume in Form von Toilettenpapier in die Kanalisation. Eine weltweite Nutzung von Shatafas samt Föhn würde also pro Jahr fast 10 Millionen Bäume retten.

Und ist die Shatafa einmal installiert, können wir Schweizer unsere Zwangsneurosen sympathischer ausleben. Etwa indem wir Schokolade horten. Die teilen wir dann mit Freunden – vorerst halt nicht mit mehr als vieren aufs Mal.