Kommentar

Wenn die Sprache zum Stern verkommt

Die gegenderte Sprache, wie sie an der Universität Wien einziehen soll, spiegelt zwar den Zeitgeist, macht die Menschen aber nicht gleicher.

Birgit Schmid
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Immer häufiger fallen sie auf, die Sternchen, die Autor*innen, Schauspieler*innen und Besucher*innen schmücken.

Immer häufiger fallen sie auf, die Sternchen, die Autor*innen, Schauspieler*innen und Besucher*innen schmücken.

Sascha Steinach / Imago

Wien ist im Sternchenhimmel, jedenfalls was das akademische Leben betrifft. An der Universität Wien gibt es seit kurzem eine ganze Reihe sprachlicher Empfehlungen, mit denen – so das ehrenwerte Ziel – die Gleichstellung der Geschlechter vorangetrieben werden soll. Und zur «wertschätzenden Ansprache aller» gehört der Genderstern.

Mit der neuen Leitlinie folgt die Hochschule dem Zeitgeist. Immer häufiger fallen sie auf, die Sternchen, die Autor*innen, Schauspieler*innen und Besucher*innen schmücken: Sie stehen in Newslettern und Programmheften von Schauspielhäusern, Literaturinstitutionen und Museen im ganzen deutschsprachigen Raum – auch in Zürich.

Nun ist jedem freigestellt, im Privaten so zu schreiben, wie er will. In Liebesbriefen Phantasiewörter zu verwenden, Textnachrichten mit Emojis schier unlesbar zu machen oder in E-Mails und Posts den Genderstern zu setzen. Das kann einen nerven, man kann auch darüber hinweggehen. Bei öffentlichen Einrichtungen ist das etwas anderes.

So befolgen auch Verwaltungen heute den Rat ihrer Gleichstellungsbeauftragten zu einer sogenannten genderneutralen Sprache, wie das Beispiel der Stadt Hannover letztes Jahr gezeigt hat. Laut Umfragen lehnt die Mehrheit der Bevölkerung eine gegenderte Sprache zwar ab. Doch das hindert die Diversitätsabteilungen nicht daran, neue Schreibweisen für verbindlich zu erklären und Sprache ad absurdum zu führen.

Wird nun an Orten des (einst) freien Denkens der zukünftigen Bildungselite die Gender-Sprache eingeprägt, so ist das nicht minder problematisch. Jetzt könnte man zwar sagen, es handle sich an der Universität Wien bloss um Empfehlungen. Was soll die ganze Aufregung? Auch die Universität Zürich offeriert ihren Angehörigen solche Leitfäden. Aber die offensiv kommunizierte Wiener Sprachreform argumentiert reichlich moralisch. Man sollte mit Sternchen gendern, um der Wirklichkeit geschlechtlicher Vielfalt gerecht zu werden. Nur wenn man die sogenannte inklusive Sprache anerkennt und also nutzt, bekämpft man Diskriminierungen. Wer sich ihr verweigert, so der Umkehrschluss, hat etwas gegen Transmenschen.

Das setzt Studenten und Studentinnen unter Druck. Die Gruppe, die sich nun dagegen wehrt, will verständlicherweise nicht namentlich in Erscheinung treten. Man fürchtet Sanktionen. Wer in Seminararbeiten nicht richtig gendert, muss damit rechnen, schlechtere Noten zu erhalten. Während wohl eine grosse Mehrheit schweigt und so die Genderpolitik mitträgt, haben sich die Geisteswissenschafter an die Medien gewandt.

Abgesehen von der fragwürdigen Absicht, die Welt zu einem besseren Ort zu machen, indem man Befindlichkeiten ermächtigt: Das Gendersternchen offenbart gerade die Widersprüchlichkeit der ihm zugrunde liegenden Gesinnung. Durch die Markierung betont man die Verschiedenheit aller möglichen Geschlechter erst. Die Student*innen sind nicht einfach gleichwertige Menschen, die studieren, sondern definieren sich in Abgrenzung voneinander. Die Gruppenzugehörigkeit eines Menschen, hier zur geschlechtlichen Identität, wird höher gewichtet als sein einzigartiges, individuelles Wesen.

Setzt die Uni Wien einen Trend, oder scheitert das Ansinnen an seiner eigenen Umständlichkeit? Die gegenderte Sprache ist von oben verordnet und widerspricht dem Sprachgefühl. Der Rat für deutsche Rechtschreibung wirkt zu Recht nicht überzeugt. Er hat im November 2018 einstimmig entschieden, auf Empfehlungen zu einer «geschlechtergerechten Schreibung» wie dem Genderstern für staatliche Stellen zu verzichten. Man will abwarten – derweil die Überzeugungstäter mit ihrem Sternenmarsch vorangehen. Und es stellt sich die Frage: Wie ernst ist es jenen, die nicht mitmarschieren wollen?

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