Huawei ist nur die Spitze des Eisbergs

Die Konfrontation zwischen den USA und China war seit langem ebenso absehbar wie unausweichlich. Es geht um viel mehr, als der Streit um den Telekom-Konzern Huawei oberflächlich andeutet.

Peter Winkler, Washington
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Huawei-Mitarbeiter in einem Firmenbus auf dem Entwicklungs-Campus in der Nähe von Shenzhen. (Bild: Kevin Frayer / Getty Images)

Huawei-Mitarbeiter in einem Firmenbus auf dem Entwicklungs-Campus in der Nähe von Shenzhen. (Bild: Kevin Frayer / Getty Images)

Die Nachrichten über amerikanische Strafmassnahmen gegen chinesische Handelspraktiken und einzelne Hochtechnologieunternehmen wecken Skepsis und Unverständnis in der westlichen Welt. Das hat auch damit zu tun, dass Präsident Donald Trump seine Konfrontation unter dem Banner führt, Amerika müsse sich gegen ein Handelsbilanzdefizit wehren, das die einheimische Wirtschaft erdrücke. In Tat und Wahrheit liessen sich die USA und China seit langem einer Konfrontation entgegentreiben, die sich keineswegs auf Handelspraktiken beschränkt.

Dreifacher Betrug

Dass sich China in vielerlei Hinsicht nicht an die Regeln des freien Handels hält, ist seit Jahrzehnten ein wiederkehrendes Thema in Hintergrundgesprächen mit westlichen Vertretern von Wirtschaft und Politik. Offen ausgesprochen wird dies allerdings nicht so gern. Die Präsidenten Bill Clinton, George W. Bush und Barack Obama versuchten alle auf ihre Art, gegen die wichtigsten Regelverstösse Pekings vorzugehen: den erzwungenen Technologietransfer, den Diebstahl von geistigem Eigentum und das systematische Ausspionieren von Forschungsergebnissen.

Noch Obama, der die Spionage durch China zur Chefsache erhob, hatte die Spannungen mit dem Land als etwas dargestellt, was durchaus überwunden werden könne. Mit genügend wohlwollendem Engagement könne China dazu gebracht werden, gross zu werden, ohne seine Macht zu missbrauchen. Dass Obama aber die Sicherheitsstrategie der USA gleichzeitig auf die asiatische Pazifikküste ausrichtete, wo China immer offensiver auftrat, war ein bezeichnendes Signal: Die Hoffnung auf das Heranwachsen eines gutmütigen Drachens in der Rhetorik passte mit der Realität des konkreten Handelns immer weniger zusammen.

Donald Trump hat demgegenüber schon ganz früh in seinem Wahlkampf klargemacht, dass er in erster Linie China für den industriellen Niedergang der Vereinigten Staaten verantwortlich macht – und gleichzeitig jene amerikanischen Politiker, die diese Entwicklung mit ihrer Tatenlosigkeit ermöglicht hatten. Sein Vorgehen fusst nicht auf einer Phantasie, und es ist auch nicht bloss ein Husarenritt eines unbeherrschten Draufgängers. Zwar hatte Trump im allgemeinen Chaos nach seiner Amtsübernahme weder ein Konzept noch eine kohärente Botschaft. Doch dies änderte sich im Lauf der Zeit spürbar. Hatte er zu Beginn noch Freund und Feind gleichermassen des Betrugs und des Parasitentums beschuldigt, scheint er den Wert von Allianzen und Koalition heute etwas besser zu erkennen – gerade wenn es darum geht, einen mächtigen Gegner wie China herauszufordern.

Mit der Untersuchung des Verhaltens Chinas durch seinen Handelsbeauftragten Robert Lighthizer im vergangenen Jahr hatte Trump das Fundament gelegt, um schliesslich politisch Gegensteuer zu geben. Man kann sich fragen, ob Strafzölle das richtige Mittel dazu sind. Tatsache ist, dass bisher niemand ein Rezept fand, um China zur Einhaltung der Regeln zu zwingen oder «zu bewegen», um im herkömmlichen Jargon wohlmeinender China-Versteher zu bleiben – auch nicht mit dem vielgelobten konstruktiven Engagement.

Was die amerikanisch-chinesische Konfrontation besonders macht, ist die Tatsache, dass sie sich keineswegs auf die Handelspraktiken beschränkt. Der gegenwärtige Konflikt um den Telekom-Konzern Huawei demonstriert dies deutlich. Dabei geht es zwar auch um Wirtschaftsspionage und unlauteren Technologietransfer. Der Konflikt dreht sich aber auch um Verstösse gegen internationale Wirtschaftssanktionen und den Versuch Chinas, die nächste Generation der mobilen Datenübertragung (5G) in den Griff zu kriegen – in den Griff eines Unternehmens an der Leine der staatlichen Sicherheitsdienste Chinas, die damit enorme geostrategische Macht erhalten würden.

Gerade diese Entwicklung versuchen die Amerikaner seit einiger Zeit besonders energisch aufzuhalten. Sie verstärkten einerseits ihre Bemühungen, ihre Verbündeten und Partner in aller Welt über die Risiken einer Zusammenarbeit mit den Chinesen für die nationale Sicherheit der betreffenden Länder aufzuklären. Der Erfolg ist durchzogen, auch wenn beispielsweise in den Niederlanden klare Hinweise darauf gefunden wurden, dass in den Mobilfunk-Netzwerken Huaweis eine versteckte Zugangsmöglichkeit (back door) existiert. So verabschiedeten Vertreter aus 32 Staaten – darunter die Schweiz, Deutschland und Österreich – Anfang dieses Monats an einer Konferenz in Prag zwar eine ganze Reihe von Vorschlägen, welche die Sicherheitsrisiken beim Aufbau der 5G-Netzwerke abfedern sollen. Doch Namen wurden dabei keine genannt, und die «Prager Vorschläge» sind auch gänzlich unverbindlich.

Wird Trump durchhalten?

Die Aufklärungs- und Überzeugungsarbeit der USA beschränkt sich aber nicht auf die ausländischen Partner. Wie die «Financial Times» berichtete, legten Vertreter der Geheimdienste in vertraulichen Gesprächen mit einheimischen Unternehmen und Institutionen aus den Bereichen Technologie, Finanzwesen und Forschung auch geheime Unterlagen vor, um auf die Gefahren der Spionage, des Diebstahls von geistigem Eigentum und von Cyberattacken bei einer Kooperation mit China aufmerksam zu machen. Die Gespräche sollen auf Initiative von prominenten amerikanischen Senatoren organisiert worden sein. Sie sind vermutlich die Folge des Umstands, dass die amerikanischen Stellen bisher zwar eindringliche Warnungen abgegeben haben, aber praktisch keine Beweise anführten, um diese zu untermauern.

Unklar ist, ob Trump an seinem Kurs festhalten wird, auch wenn die Kosten der Strafzölle und der Gegenmassnahmen Chinas für amerikanische Konsumenten und Produzenten schmerzlich werden. Die Gefahr besteht auch, dass er sich in seiner berüchtigten Eitelkeit mit einem «Deal» mit China zufriedengeben wird, der zwar die grundlegenden Probleme nicht löst, ihm aber Grund zum Prahlen böte.

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