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Ist der Jude an sich unsympathisch?

© Twitter

Antisemitismus in der Piratenpartei: Kevin Barth findet "den Juden an sich unsympathisch"

Vor Kurzem twitterte Kevin Barth über "die israelische Kackpolitik" und den "Juden an sich". Nun erntet das Mitglied der Piratenpartei harsche Kritik und zieht Konsequenzen aus seiner antisemitischen Äußerung.

Es ist erst wenige Tage her, als die scheidende politische Geschäftsführerin der Piratenpartei, Marina Weisband, bei Günther Jauch zum Thema „Antisemitismus, Holocaust, jüdisches Leben“ Stellung nahm. Bestimmt und mit ruhiger Miene berichtete die charismatische Frontfrau der Piraten von antisemitischen Anfeindungen, die ihr aufgrund ihres klaren Bekenntnisses zum jüdischen Glauben immer wieder zuteil werden. „Ich habe Hassmails bekommen, auf rechtsextremistischen Webseiten wurde mein Foto veröffentlicht. Daneben standen Texte darüber, wie die Juden jetzt die deutsche Parteienlandschaft erobern würden“, erklärte sie.

Die Hetze an sich ist schlimm, jetzt aber kommt sie sogar aus den eigenen Reihen. Pirat Kevin Barth twitterte am 23. Januar: „ok. ich bin also antisemit weil ich die israelische kackpolitik und den juden an sich unsympatisch finde weil er einen sinnlosen krieg führt“. Keine zwei Wochen später wurde Barth in Heidenheim zum Kreisvorsitzenden gewählt. Mit etwas Verspätung setzt nun massive Kritik an der Verbalentgleisung des Piraten ein.

Es ist nicht das erste Mal, dass Verbindungen zwischen Mitgliedern der Piratenpartei und rechtsextremistischen Tendenzen gesucht und auch offenkundig werden. Bereits auf dem ersten Bundesparteitag 2008 zog Bodo Thiesen mit seiner naiven Position zu Germar Rudolf, einem verurteilten Holocaust-Leugner, Unmut auf sich – und auf seine Partei. Der damalige Parteivorsitzende Jens Seipenbusch lavierte, versuchte die Debatte über Thiesens krude Thesen, Hitler habe den Zweiten Weltkrieg nicht willentlich initiiert, herunterzuspielen, bezeichnete ihn als „Meinungsfreiheitsfetischist“, doch niemals als rechtsextrem gesinnt.

2011 brach eine Diskussion über den Umgang der Piratenpartei mit ehemaligen Mitgliedern der NPD los. Zwei Parteimitglieder hatten sich zu ihrer NPD-Historie bekannt, die der derzeitige Parteivorsitzende Sebastian Nerz in der Manier Seipenbuschs als „Jugendsünde“ abtat. Marina Weisband distanzierte sich damals von dieser Bemerkung, bagatellisiere sie doch den Umstand der NPD-Parteizugehörigkeit und das nationalsozialistische Gedankengut per se.

Außer Frage steht, dass ein (Zurück-)Finden in eine demokratisch orientierte Parteienfamilie in einer demokratisch organisierten Gesellschaft für jedermann möglich sein muss. Doch muss dann wiederum auch zweifelsfrei feststellbar sein, ob sich die Gesinnung – in diesem Fall die Gesinnung der ehemaligen NPD-Zugehörigen – nachvollziehbar gewandelt hat und mit dem Parteiprogramm, der Ideologie der Piratenpartei vereinbar ist.

Kevin Barth für seinen Teil kam zur Raison, zumindest vordergründig. Nach seinen verbissenen Rücktrittsdementi erklärte er zur Stunde auf seinem Blog nun doch: „Ich habe vor zwei Wochen einen Tweet und in der Folge einen Blogpost veröffentlicht, bei dessen Wortwahl ich mich grob vergriffen habe. Dies habe ich leider erst durch die heutige massive Kritik in dieser Form verstanden. Für diese Äußerungen bitte ich hiermit um Entschuldigung. Sie sind mit den Zielen der Piratenpartei nicht vereinbar. Als Konsequenz daraus habe ich mich entschlossen, meinen Rücktritt vom Amt als Kreisvorsitzender zu erklären. Diesen habe ich dem Landesvorstand und dem Bezirksvorstand vor zwei Stunden bekannt gegeben.“

Ob sich Barth damit jedoch seine befleckte Weste als mutmaßlicher Antisemit abstreifen kann, bleibt fraglich. So zeugt die kritische Reflexion über den Nahostkonflikt und die Rolle Israels nicht grundlegend von einer antisemitischen Grundstimmung. Doch spätestens dann, wenn die Israelkritik judenfeindliche Züge annimmt, wenn der „Jude an sich“ pauschal „unsympathisch“ wird, weist sich auch ein Kevin Barth als antisemitisch aus.

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