Streit um Agrosprit – Seite 1

Diesmal wollten die Mächtigen rechtzeitig handeln – anders als im Jahr 2008, in dem Hungerrevolten die Welt erschütterten, weil Grundnahrungsmittel plötzlich so teuer wurden. Im Frühjahr 2011 übernahm Frankreich den Vorsitz der G 20, und der französische Präsident Nicolas Sarkozy kündigte an, er werde sich zuvorderst um die Spekulation an den Rohstoffmärkten kümmern. Die Preise sollten verlässlicher werden und Lebensmittel für die Armen bezahlbar, so sein Versprechen.

In diesen Tagen zeigt sich, was seine Ankündigung wert ist. Am Mittwoch und Donnerstag tagen die Agrarminister der G 20 in Paris. Sie beraten über einen Aktionsplan (siehe auch Infobox), der helfen soll, die großen Schwankungen der Nahrungspreise zu begrenzen.

Eine Forderung hatte im Vorfeld besonders für Aufsehen gesorgt: Die führenden Wirtschaftsnationen sollen ihre Subventionen für die umstrittenen Biotreibstoffe abschaffen, hieß es in einem Papier , das den Agrarministern zur Vorbereitung diente. Aus zwanzig Prozent der globalen Zuckerrohrproduktion, neun Prozent der Ölsaaten und vier Prozent der Zuckerrüben werde Agrosprit gewonnen. Das treibe die Preise für Zucker, Öl und Getreide in die Höhe und verschärfe die Preisschwankungen.

Das Argument, Biosprit trage die Verantwortung für die hohen Nahrungsmittelpreise, ist nicht neu. Diesmal aber kam es nicht aus der Ökoszene. Verfasser der Studie waren zehn internationale Organisationen, die eine zentrale Rolle in der globalen Ernährungspolitik spielen, unter ihnen die Welternährungsorganisation FAO, die Weltbank, die Welthandelsorganisation WTO, das World Food Programm (WFP) und das International Food Policy Research Institute (IFPRI).

Ihre Empfehlungen waren ungewöhnlich klar. Sie richten sich gegen die Europäische Union, die ihre Produzenten von Ethanol und Biodiesel mit Milliarden Euro fördert, ebenso wie gegen Brasilien, China, Australien und die USA. Für deren Maisbauern ist Ethanol ein lukratives Geschäft. Sie produzieren auf einem abgeschotteten Markt, bewirtschaften mit großen Maschinen riesige Flächen, unterstützt durch öffentliche Gelder. Doch je mehr Mais sie in Treibstoff umwandeln, umso weniger bleibt für die Ernährung übrig – und desto teurer wird der Mais auf dem Weltmarkt.

Die USA sträuben sich ganz besonders gegen eine Liberalisierung des Agrarhandels. Mit ihrem Widerstand blockieren sie seit Jahren die Doha-Runde der Welthandelsorganisation (WTO). Das Empfehlungspapier an die G-20-Minister fordert nun freie Märkte: Den beteiligten Organisationen geht es nicht nur um den Abbau von Subventionen, sondern auch um die Abschaffung von Handelsschranken. Liberalisierung ist ihr Ziel.

 Manche sagen: Agropflanzen helfen in der Armutsbekämpfung

Doch die Agrarminister dürften der Aufforderung, den Anbau von Energiepflanzen nicht mehr zu fördern, kaum nachkommen. Zu lukrativ ist das Geschäft. Und es hat auch nicht nur negative Folgen.

Im vorab bekannt gewordenen Entwurf des Aktionsplans heißt es, man müsse die Zusammenhänge zwischen der Produktion von Biokraftstoffen und der Erzeugung von Nahrungsmitteln, Preisschwankungen und Nachhaltigkeit "weiter untersuchen". Zudem sei der Agrosprit wichtig für ländliche Entwicklung, Energiesicherheit und die Reduktion von Treibhausgasen. Auch Armuts- und Hungerbekämpfung lasse sich mit dem Anbau von Energiepflanzen vereinbaren.

Entwicklungsorganisationen kritisieren das heftig. "Agrosprit ist Teil des Problems", sagt Marita Wiggerthale, Agrarexpertin der Hilfsorganisation Oxfam. Die Subventionen verstärkten die Preisschwankungen am Agrarmarkt und müssten dringend abgeschafft werden.

Nicht alle sehen das so eindeutig. Manche Experten sagen: Weniger Hunger und mehr Biokraftstoffe – beides zusammen funktioniere, wenn man die Sache nur richtig angehe. Wenn die Agrarpreise wegen der Nachfrage nach Biosprit stiegen, könnte das auch den kleinen Bauern ein höheres Einkommen verschaffen , sagt Michael Brüntrup vom Deutschen Institut für Entwicklungspolitik (DIE). So würde der Biosprit dazu beitragen, den Hunger zu bekämpfen.

Die FAO versucht, in ihrem Projekt "Bioenergie und Ernährungssicherheit" (BEFS) zu klären, wie sich der Anbau von Energiepflanzen mit der Ernährungssicherheit vereinbaren lässt. Eine gute Basis für politische Entscheidungen, loben die G-20-Agrarminister. Ansonsten halten sie ihre Aussagen zum Biosprit vage. So schnell, wie ursprünglich gefordert, werden die Subventionen wohl nicht abgeschafft.