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Bahnhofsstreit S-21-Gegner steigen aus Schlichtung aus

Der Streit über den Bahnhofsumbau in Stuttgart eskaliert: Kurz vor der Übergabe des Gutachtens zum Stresstest steigt das Aktionsbündnis der S-21-Gegner aus den Schlichtungsgesprächen aus. Für Schlichter Heiner Geißler ist das eine schwere Schlappe - er will dennoch weitermachen.
Stuttgart-21-Gegner bei Protesten in Stuttgart: Aktionsbündnis steigt bei Schlichtung aus

Stuttgart-21-Gegner bei Protesten in Stuttgart: Aktionsbündnis steigt bei Schlichtung aus

Foto: Marijan Murat/ dpa

Berlin/Stuttgart - Im Streit um den Bahnhofsumbau in Stuttgart haben sich die Fronten erneut verhärtet: Das Aktionsbündnis, der Zusammenschluss der Gegner von Stuttgart 21, steigt aus den Schlichtungsverhandlungen unter Leitung des CDU-Politikers Heiner Geißler aus und boykottiert die für kommende Woche geplante gemeinsame Präsentation des Stresstestergebnisses.

Die Sprecher des Aktionsbündnisses, Brigitte Dahlbender und Hannes Rockenbauch, erklärten am Donnerstag zur Begründung in Stuttgart, was die Bahn vorgelegt habe, habe nichts mit einem Leistungstest zu tun. Da nicht mehr auf Augenhöhe debattiert werde, wie in der Schlichtung vereinbart, müsse man "mit großem Bedauern" aus dem Dialog aussteigen. Intern hatte es im Aktionsbündnis in den vergangenen Woche heftige Debatten darüber gegeben, ob man sich aus der Schlichtung zurückziehen oder weiter verhandeln solle.

Die Gegner des Bahnprojekts hatten kritisiert, dass sie nicht früh genug in die Erstellung des Stresstests eingebunden waren und die Grundlagen wie den Fahrplan oder die Haltezeiten nicht kannten. Die Bahn habe sich die Aufgabe selbst gestellt und präsentiere nun eine Lösung, ohne aber den Lösungsweg offenzulegen.

Das Aktionsbündnis übte scharfe Kritik an Schlichter Geißler. "Wir haben ihn als nicht mehr so neutral betrachtet wie im Laufe der Faktenschlichterphase", sagte Sprecherin Dahlbender. Geißler sei den Gegnern des Projekts zwar "erheblich beigesprungen", als er die Bahn dafür rügte, dass das Aktionsbündnis nicht an der Ausarbeitung des Stresstests beteiligt worden sei. Allerdings habe Geißler nicht die Konsequenz gezogen und der Bahn gesagt, dass dadurch eine der wesentlichsten Prämissen der Schlichtung verletzt worden sei.

Geißler will auch ohne Gegner öffentliche Stresstest-Präsentation

Schlichter Geißler will das Ergebnis des Stresstests für den Tiefbahnhof auch ohne die Gegner öffentlich präsentieren. Das Gutachten der Schweizer Verkehrsberater SMA zum Belastungstest werde am kommenden Dienstagvormittag vorgestellt, sagte Geißler am Donnerstag in Stuttgart. Die Absage des Aktionsbündnisses gegen Stuttgart 21 sieht der frühere CDU-Generalsekretär kritisch. "Ich bin nicht der Psychotherapeut der Gegner. Es ist aus ihrer Sicht falsch, wenn man die Gelegenheit nicht wahrnimmt, die Argumente der Öffentlichkeit vorzustellen." Das Aktionsbündnis sei in drei Vorbereitungstreffen im Juli über den Stresstest informiert worden. Er könne die Präsentation nicht deswegen absagen, weil die Gegner die Voraussetzungen für den Stresstest nicht akzeptierten.

Auch Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer, im vergangenen Jahr einer der Wortführer des Aktionsbündnisses während der Schlichtungsverhandlungen, hält die Boykott-Entscheidung für falsch. "Man muss keine Angst vor einer öffentlichen Gegenüberstellung haben", sagte der Grünen-Politiker SPIEGEL ONLINE. Bei der gemeinsamen Präsentation hätte das Aktionsbündnis "gut begründen können, dass der Stresstest nichts wert ist". Palmer und die Grünen hatten sich nach der Landtagswahl aus dem Aktionsbündnis zurückgezogen.

Das Schweizer Verkehrsplanungsbüro SMA übergibt sein Gutachten zum Stresstest an diesem Donnerstag. Die Gutachter von SMA sollen beurteilen, ob die Deutsche Bahnmit S21 ihre versprochene 30-prozentige Leistungssteigerung einhalten kann. Neben den Projektpartnern Land, Stadt und Bahn erhalten auch die S-21-Gegner vom Aktionsbündnis das Testat.

Beim Stresstest hatte die Bahn den Betrieb im geplanten Tiefbahnhof an 100 Tagen in der Zeit zwischen 6 und 10 Uhr simuliert. SMA vollzog daraufhin die Simulation der Bahn nach und bewertete sie. Aus Konzernkreisen war jedoch schon vor Abschluss des Gutachtens durchgesickert, dass Stuttgart 21 den Test bestehe. Kostspielige Nachbesserungen an der Infrastruktur seien nicht nötig. Das Gutachten soll in der kommenden Woche öffentlich präsentiert werden.

Die baden-württembergische Landesregierung hat zum Bahnhofsumbau eine gespaltene Haltung: Die von Ministerpräsident Winfried Kretschmann angeführten Grünen sind gegen S21, während der Koalitionspartner SPD den Umbau befürwortet. Die Koalition hat sich darauf geeinigt, im Herbst einen Volksentscheid zu S21 durchführen zu lassen.

anr/flo/dapd/dpa