Fußball-WM 2019

Deutschland raus, WM-Turnier tot Die Heile Welt ist zerstört

Silvia Neid distanziert sich von ihrem Tean.

Silvia Neid distanziert sich von ihrem Tean.

(Foto: dapd)

Die deutschen Fußballerinnen wollten zu Hause zum dritten Mal in Folge die Weltmeisterschaft gewinnen. Dann kommt Japan, gewinnt das Viertelfinale – und die DFB-Elf steht vor einem Scherbenhaufen. Bundestrainerin Neid putzt öffentlich eine 20-Jährige runter, die Spielerinnen widersprechen. Harmonie war gestern.

Die guten Nachrichten zuerst: Die Japanerinnen haben kein Kopfballtor erzielt. Und es ist nur Fußball. Zugegeben, wir hassen diesen Satz. Aber wenn es sonst keinen Trost gibt, muss dieser Hinweis erlaubt sein. Denn mehr Gutes gibt es von der deutschen Mannschaft nicht zu berichten. Sie hat im Viertelfinale der Weltmeisterschaft gegen Japan mit 0:1 in der Verlängerung verloren, der Traum vom dritten Titel in Folge ist damit geplatzt. Aber nicht nur das. Die heile Welt des deutschen Frauenfußballs ist kaputt. Und das Turnier ist tot.

Ein trauriger Dank an die Fans.

Ein trauriger Dank an die Fans.

(Foto: dapd)

Aber der Reihe nach. Deutschland ist raus, das ist eine Überraschung. Und das gegen die Japanerinnen, die zwar von der FIFA auf Platz vier der Weltrangliste geführt werden, aber zuvor in neun Versuchen bei einer WM nie gegen eine europäische Mannschaft gewonnen hatten - bis sie gestern Abend vor 26.067 Zuschauern in Wolfsburg gegen Deutschland durch ein 1:0 in der Nachspielzeit gewannen. Eine Niederlage, auf die niemand im DFB-Team auch nur ansatzweise vorbereitet war. Nationalmannschaftsmanagerin Doris Fitschen formulierte das so: "Das war alles anders geplant. Jetzt ist nur noch Leere da."

Harmonie war gestern

Was aber schwerer wiegt, ist, dass die Spielerinnen und ihre Trainerin nicht mehr mit einer Zunge sprechen. Um nicht zu sagen, sie widersprechen sich offen und öffentlich, wenn auch die Aussagen direkt nach der Partie sicherlich der Enttäuschung über das sportliche Aus entsprangen. Dennoch: Harmonie, bisher in der Außendarstellung der DFB-Elf nicht nur deshalb groß geschrieben, weil es ein Substantiv ist, war gestern. Jetzt formieren sich die Lager.

Während Bundestrainerin Silvia Neid die Niederlage vor allem daran festmachte, dass die defensive Mittelfeldakteurin Kim Kulig bereits nach drei Minuten verletzt raus musste und ihr Team deshalb geschockt gewesen sei, sahen die Spielerinnen das unisono anders. Linda Bresonik stellte klar: "Die Verletzung ist kein Alibi." Für Torhüterin Nadine Angerer und Stürmerin Inka Grings war das Ausscheiden ihrer Teamkollegin ebenfalls explizit kein Thema.

Au Backe! Erst muss Alex Popp das Aus, dann die öffentliche Schelte der Bundestrainerin verarbeiten.

Au Backe! Erst muss Alex Popp das Aus, dann die öffentliche Schelte der Bundestrainerin verarbeiten.

(Foto: REUTERS)

Auch sonst reagierte Silvia Neid nach dem Ausscheiden wenig souverän. Sie müsse das Spiel zwar noch einmal in Ruhe analysieren, könne sich aber keinen Vorwurf machen. Den machte sie dafür Stürmerin Alexandra Popp, die habe sie enttäuscht: "Sie hat meine Erwartungen nicht erfüllt. Ich hätte mir von ihr schon mehr Leben da vorne erwartet." Zur Erinnerung: Alexandra Popp ist 20 Jahre alt, absolvierte gegen Japan ihr 16. Länderspiel – und kam nach 102 Minuten in eine Partie, von der die Kollegin Bresonik hinterher sagte: "Wir hätten noch fünf Stunden spielen können und kein Tor erzielt." Wenn Silvia Neid nichts Besseres einfällt, als vor versammelter Journaille eine Nachwuchsspielerin, die sie viel zu spät eingewechselt hat, bloßzustellen, ist das ein Armutszeugnis. Und sagt viel über den Zustand einer Bundestrainerin aus, die mit allem gerechnet hatte – nur nicht damit.

Birgit Prinz ist "total frustriert"

Was bleibt ist eine ratlose Trainerin, die ihren Frust mit Arroganz zu überspielen versucht, und eine Mannschaft, die sich alleine gelassen fühlt. Wieder war es Linda Bresonik, die Klartext sprach: "Niemand hat uns auf diese Niederlage vorbereitet." Und von der Freundschaft zwischen Birgit Prinz und Silvia Neid scheint nicht mehr viel übrig zu sein. Wer die degradierte Kapitänin nach der Begegnung in der Wolfsburger Mixed-Zone sah, dem hätte sie gar nicht mehr sagen müssen, was sie dann doch sagte: "Ich bin total frustriert." Sie, betonte Birgit Prinz, hätte spielen wollen. "Aber die Trainerin hat anders entschieden. Das muss ich akzeptieren." Harmonie hört sich anders an.

Trainerin uneinsichtig, Managerin ratlos, Spielerinnen alleingelassen. Schlimmer hätte diese Weltmeisterschaft für das deutsche Team nicht enden können. Bleibt die Frage: Warum nur? War es der Druck, die hohe Erwartung? Lag es daran, dass alle, nicht zuletzt Mannschaft und Trainerin, nur den Titel vor Augen hatten? Dass plötzlich große Stadien ausverkauft waren und Millionen Menschen vor den Fernsehern saßen? Dass die Spielerinnen am nächsten Morgen in der Zeitung lasen, wann und wo sie shoppen waren? Wir denken mal drüber nach. An der Kopfballstärke der Japanerinnen lag es jedenfalls nicht. Und ganz bestimmt nicht an Alexandra Popp.

Quelle: ntv.de

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