Sattel aus Jeans, Rahmen mit Mantarochen-Leder – Seite 1

Da war dieser Kunde. Er legte seine Ledertasche und einen goldenen Stift auf den Tisch und sagte: "Ich suche das passende Fahrrad hierzu." Andreas Berschauer, Geschäftsführer des Berliner Fahrradladens "Stilrad", erinnert sich noch ganz gut an den Mann. Was Berschauer letztlich empfahl? Ein Fahrrad überzogen mit Mantarochenleder.

Solche Ansprüche von Kunden sind in der Hauptstadt ein Novum. Das Fahrrad hat das Auto als Statussymbol abgelöst. Man fährt deshalb nicht mit irgendwelchen popeligen Klapprädern herum, sondern passt es ans Outfit an. Heute besitzen mondäne Berliner mehrere Räder. Die Zweiradindustrie spricht von "Lifestyle-Produkten" und hat sich auf Designerräder spezialisiert. Die Inspiration dafür kommt oft aus der Modebranche.

Deshalb ist der Name von "Stilrad" – der Laden hat in Berlin-Mitte erst kürzlich eröffnet – durchaus passend. Viele Modelle wirken zwar "ein bisschen retro", wie Andreas Berschauer sagt, sind aber technisch so aufgepeppt, dass sie eben nicht mehr ganz wie ein einfaches Hollandrad aussehen. Da steht ein E-Bike, angetrieben von einem Elektromotor, neben einem Fixie-Fahrrad, das ohne Gangschaltung, Bremse und Licht auskommt. 

An der Wand hängt ein schlichtes, filigranes Fahrrad in den Farben schwarz und gelb. Besonders daran ist nicht, was es kann, sondern wer es gestaltet hat: Paul Smith, der britische Modedesigner. Entworfen hat er das Fahrrad für eine dänische Firma. Der Blick läuft weiter – daneben hängt das Fahrrad von Bella Ciao, das mit dem Bezug aus Leder vom Mantarochen. Es kostet 3.000 Euro und hat nur einen Gang. Berschauer steht lächelnd daneben und kommentiert: "So etwas findet sich sonst nur bei Damen am Handgelenk."

Outfits für "Bike-Dandys"

Nicht weit entfernt im In-Viertel Prenzlauer Berg liegt der Fahrradladen Prêt-à-Vélo. Neben handgefertigten Fahrrädern unter anderem aus Großbritannien stehen auf Stangen passende Fahrradoutfits aus englischem Tweed, entworfen von einem Berliner Designer. Hier werden vor allem "Bike-Dandys" fündig oder, wie Inhaber Ulrich Gries sie nennt: "Traditionalisten".

Das Auto als Statussymbol sei doch nicht mehr angesagt, meint Gries. Und nun sei das Fahrrad eben nicht mehr nur ein reines Fortbewegungsmittel. Dass das Aussehen dabei eine große Rolle spielt, findet er nicht so überraschend: "Das ganze Leben ist mittlerweile überall durchdesignt", sagt der Händler.

Der Zweirad-Industrie-Verband (ZIV) sieht das genauso. Das Image des Fahrrads habe sich gewandelt. Es werde nicht mehr als reines Transportmittel gesehen, sondern als Lifestyle-Produkt, sagt ZIV-Geschäftsführer Siegfried Neuberger. Es müsse "schick und praktisch sein". Als Beispiele nennt Neuberger die Cruiser-Bikes, Single-Speed-Bikes und Fixies. Nicht die Technik, sondern das Design spiele eine Rolle. "Es muss vor allem individuell und außergewöhnlich sein."

"Showroom" statt Fahrradladen

Extravagant sind mittlerweile viele Fahrräder. Einige sind aus reinem Mahagoni-Holz gemacht, andere aus Bambus mit Reifen aus Kautschuk. Selbst die Autoindustrie ist mittlerweile auf den Hype um die Luxusfahrräder aufgesprungen. Und auch Levi's hat sich ein Fixie-Bike gestalten lassen – der Fahrradsattel ist aus Jeans.

Etwas verhalten beobachten die Rennradmacher von Pasculli die Designräder des Alltags. Es seien doch alles Fahrräder für die Stadt. "Das hat wenig mit Sport und Leidenschaft zu tun", meint der Berliner Geschäftsinhaber Andreas Hubert. Aber Design und Aussehen spiele auch bei den Rennrädern eine wichtige Rolle. Jeder Rahmen werde handgefertigt. "Wir bauen auf Maß."

Dass es am Ende auch bei den Rennradherstellern um Lifestyle geht, wird spätestens deutlich, als Hubert berichtet, dass den Kunden in den Ladenräumen auch Kunst und Kultur geboten wird. Denn eines haben viele Fahrradläden gemein: Sie nennen sich "Showroom". Und das kommt auch aus der Modebranche.