Lokalsport

„Frau Neid ist nicht therapierbar“

Torhungrige Turbine-Girls, wacker kämpfende WFV-Kickerinnen und ein mit rund 500 Fans endlich mal wieder ordentlich gefülltes Kirchheimer Stadion: Das Freundschaftsspiel zwischen Frauenbundesligist Turbine Potsdam und der WFV-Auswahl hielt, was es versprochen hatte – auch dank des scharfzüngigen Potsdamer Trainers Bernd Schröder, der nach dem Spiel zur verbalen Hochform auflief.

Kirchheim. Wer fünf Mal Deutscher Meister wird, drei Mal den DFB-Pokal gewinnt und dazu auch auf europäischer Cup-Ebene zwei Mal erfolgreich ist, ist auch fern der Heimat beliebt – auch im über 600  Kilometer von Potsdam entfernten Kirchheim haben die Turbine-Kickerinnen glühende Anhänger, wie Iris Bartsch und Axel Maruszczyk beweisen. Mit Brandenburg-Fahne bejubeln die gebürtigen Cottbusser, die seit rund 14  Jahren in Kirchheim leben, jeden Angriff ihres Lieblingsteams. „Als wir hörten, dass Potsdam herkommt, war klar, dass wir ins Stadion gehen“, sagt Iris Bartsch, die sich die Bundesligaspiele von Turbine sonst nur im Fernsehen anschauen kann – der Rundfunk Berlin Brandenburg (rbb) überträgt regelmäßig live.

Mannschaft und Funktionäre nun mal hautnah zu erleben – für beide ein tolles Erlebnis. Stolz wie Oskar zeigt Axel Maruszczyk im Display seiner Digitalkamera ein Foto, das er von sich und Turbine-Coach Bernd Schröder hat schießen lassen. „Ein dufter Typ“, findet der Fan.

In der Tat: Schröder und sein Team geben sich während ihres gesamten Aufenthalts an der Jesinger Allee volksnah. Allen voran die japanische Weltmeisterin Yuki Nagasato, die nicht nur freundlich lächelnd Autogrammwünsche erfüllt, sondern sich auch kulinarisch interessiert zeigt. Beim gemeinsamen Abendessen im Teckbotenpokal-Festzelt lässt sie sich zum Nachtisch eine Crêpe schmecken. „In Japan gibt es das nicht“, lacht sie. Die französischen Pfannkuchen aus der VfL-Küche haben‘s den Turbine-Girls ohnehin angetan. Auch die deutschen Nationalspielerinnen Babett Peter und Bianca Schmidt stehen geduldig Schlange für die Leckerei.

Die Kalorien taten auch not, schließlich ging‘s für den Potsdamer Tross nach Übernachtung im Hotel am Sonntagmorgen weiter mit dem Bus nach Braunsbedra in Sachsen-Anhalt, wo am Nachmittag ein Test gegen eine sächsische Auswahl anstand. „Danach testen wir noch gegen Männer“, sagte Bernd Schröder, der nach dem Spiel in Kirchheim nicht nur über die in drei Wochen beginnende Bundesligasaison sprach („Den Titel zu verteidigen, wird schwer“), sondern auch seine Kritik an Frauen-Bundestrainerin Siliva Neid erneuerte, mit der er bereits während der WM für Missstimmung beim DFB gesorgt hatte.

„Sie tut so, als hätte sie keine Fehler gemacht und das stimmt einfach nicht. Frau Neid ist nicht therapierbar“, polterte der 69-Jährige, der auch nach einem Vier-Augen-Gespräch bei DFB-Boss Theo Zwanziger am vergangenen Mittwoch eine Entschuldigung bei der Bundestrainerin ausschließt. „Wir haben doch immer noch das Recht auf freie Meinungsäußerung. Das bewerte ich höher als einen Ehrenkodex im Verband“, räsonierte Schröder im Nebenzimmer der VfL-Gaststätte, „die Leute sind einfach nicht mehr gewohnt, mit Kritik umzugehen. Dabei gehört Widerspruch doch zu einer gesunden Streitkultur.“

Zustimmendes Gelächter erntete Schröder im Audotirum aber nicht nur für seine polarisierenden Analysen in Sachen Frauenfußball. Auch mit lobenden Worten für den VfL Kirchheim („Ihr habt eine tolle Anlage hier, Respekt!“) machte er sich beliebt unter den Kirchheimer Fußballanhängern, die ob des Oberliga-Aus‘ seit Tagen durchs Tal der Tränen wandern. Einen Hoffnungsschimmer gibt es für die geschundenen VfL-Seelen aber: Fußball weckt in Kirchheim doch noch Interesse – die rund 500 Zaungäste beim Turbine-Gastspiel haben‘s bewiesen.