Laubach, Oberhessen, Anfang September 1939. In seiner Dienstwohnung im Amtsgericht der kleinen Stadt bei Gießen beginnt der Justizinspektor Friedrich Kellner damit, ein Tagebuch anzulegen. "Es ist heute so", schreibt er, "daß das Leben überhaupt nicht mehr lebenswert ist. Ein drangsaliertes, gequältes, eingeschüchtertes, überaus unfreies Volk soll sich für einen Tyrannen totschießen lassen. Terror ohnegleichen! Die Bonzen als Spitzel. Der anständige Deutsche hat kaum mehr den Mut, überhaupt zu denken, geschweige denn etwas zu sprechen." Wovor Sozialdemokraten wie Kellner in den letzten Jahren der Weimarer Republik immer gewarnt hatten, das war nun eingetreten – mit dem Überfall auf Polen brach das NS-Regime einen Krieg vom Zaun, der Millionen Menschen das Leben kosten sollte.