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Wirtschaft (Print WAMS) Feierabend: Feierabend mit Erich Staake

"Fußball ist hier wie eine Religion"

Korrespondent
Der Hafenbetreiber Duisport finanziert die Frauenmannschaft des FCR Duisburg, die ganz vorne in der Bundesliga mitspielt. Für Firmenchef Erich Staake ist das eine prima Ergänzung zu seinem von Männern dominierten Großbetrieb am Rhein. Ein Expertengespräch über das andere Geschlecht

Erich Staake kommt im dicken Audi vorgefahren, mit einem großen "CC"-Aufkleber am Heck, der ihn als Honorarkonsul ausweist. Der Manager ist Chef der Duisport AG, die den größten Binnenhafen der Welt betreibt. Das Ehrenamt hat ihm Belgien verliehen. Doch jetzt zieht Staake sich erst einmal Trainingsanzug und Sportschuhe an. "Ich bin der Erich", begrüßt der deutsche Studentenfußballmeister des Jahres 1978 die jungen Fußballspielerinnen des FCR Duisburg. Dann übt er mit den Spielerinnen den Kurzpass. Am Wochenende schaut er sich oftmals ihre Spiele an - auch als Ablenkung von seinem Hauptthema derzeit: der Privatisierung des Hafens. Der Bund will seinen Drittel-Anteil abgeben. Deutsche Logistikunternehmen und Häfen, aber auch die großen Konkurrenten Antwerpen und Rotterdam wollen mitbieten. Staake will dagegen für die Unabhängigkeit seines Hafens kämpfen.

Welt am Sonntag: So wie Sie mit dem Ball umgehen, sieht das immer noch nach einem Fußballer aus. Macht Ihnen der Nieselregen wirklich nichts aus, oder sind es Ihre Trainingspartnerinnen, die Ihnen dieses entspannte Lächeln abringen?

Erich Staake: Das ist doch das perfekte Fritz-Walter-Wetter, der war auch immer am besten, wenn es regnete. Dann hat ihm Adi Dassler persönlich besondere Stollen unter die Schuhe geschraubt. Ich habe alle Fritz-Walter-Bücher gelesen und kannte sie als Jugendlicher auswendig.

Welt am Sonntag: Welche Position haben Sie gespielt?

Erich Staake: Im defensiven Mittelfeld oder Libero. 1978 war ich mit meiner Uni-Mannschaft deutscher Studentenmeister. Da hat uns der Kurator der Universität Göttingen eine Woche auf Mallorca spendiert, damals noch mit Neckermann und einer Spantax als Flugzeug. Ich habe mir mit Fußballspielen mein Studium verdient, aber das wollten Sie vielleicht gar nicht wissen.

Welt am Sonntag: Doch, doch, das ist interessant. Aber jetzt mal ehrlich, Herr Staake: Warum macht der Chef eines von Männern dominierten Hafenbetriebes Trikotwerbung im Frauenfußball?

Erich Staake: Ich könnte Ihnen jetzt auch etwas von Chancengleichheit erzählen, das mache ich aber nicht. Es war so: Vor vier Jahren stand die Bundesliga-Frauenmannschaft des FCR Duisburg im Pokalfinale gegen den FFC Frankfurt. Eine Woche vor dem Spiel in Berlin rief mich der Chef der Duisburger Sparkasse an. Die Sparkasse war Sponsor, wollte das aber bei einem bundesweiten Ereignis als regionales Institut nicht mehr machen. Ich sollte ein Duisburger Unternehmen suchen, das spontan für die Trikotwerbung einspringen konnte. Ich habe dann über das Wochenende nachgedacht und entschieden, dass wir das selber machen. Wir haben innerhalb einer Woche Trikots herstellen lassen. Die Frauen haben dann leider im Elfmeterschießen verloren, aber so fing unser Engagement an. Und wenn Sie das meinen: Bis heute habe ich durchweg positive Bemerkungen dazu bekommen, dass wir Frauenfußball gut finden und fördern.

Welt am Sonntag: Das sagt noch nichts über die Motive aus, dauerhaft Sponsor im Frauenfußball zu bleiben.

Erich Staake: Duisburg braucht Botschafter, und das sind eben nicht nur die Männer vom MSV, sondern insbesondere die Frauen vom FCR. In dem Sport haben die Frauen unglaublich viel geleistet in den vergangenen Jahren. Der FCR Duisburg war vor zwei Jahren Sieger in der Champions League und zweimal deutscher Pokalsieger. In den vergangenen fünf Jahren standen die Frauen immer unter den drei besten Vereinen der Bundesliga. Und Fußball ist nun einmal wie eine Religion hier im Ruhrgebiet. Das unterstützen wir gerne als mittelständisches Unternehmen. Natürlich steht der FFC Frankfurt mit der Commerzbank im Rücken anders da. In München kann Uli Hoeneß der Frauenmannschaft des FC Bayern ganz anders unter die Arme greifen. Und das, was besonders nahe liegt, sollte man beim Sponsoring sowieso nicht machen.

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Welt am Sonntag: Was gibt Duisport denn für sein Sponsoring aus?

Erich Staake: Die Summe ist unterschiedlich, das hängt von vereinbarten sportlichen Erfolgen ab. Es ist insgesamt eine sechsstellige Summe. Wissen Sie, als Junge war ich von Leuten abhängig, die mich beim SV Innerstetal unterstützt haben. Es ist doch schön, wenn ich das heute ähnlich zurückgeben kann. Seit diesem Jahr unterstützen wir deshalb die komplette Jugendarbeit des FCR Duisburg. Ohne gezielte und gute Nachwuchsarbeit kann der Verein sein Niveau nicht halten. Wir mussten schon Spielerinnen ziehen lassen, weil das Vereinsbudget von deren Gehaltserwartungen überfordert war. Die Zahl der Nachwuchsspielerinnen aus dem eigenen Verein, die in der Bundesligamannschaft spielen, soll sich aber weiter erhöhen. Bisher sind das zu wenige.

Welt am Sonntag: Sie haben kein Sendungsbewusstsein, die Welt ein bisschen gerechter zu machen?

Erich Staake: Ich verfolge keine hehre Philosophie, die Welt besser machen zu wollen. Und das mit der Chancengleichheit oder Ungleichheit von Frauen und Männern ist so eine Sache. Wenn ich ehrlich antworte, finde ich gar nicht, dass Frauen heute noch groß im Nachteil sind. Frauen haben eine exzellente Ausbildung, und sie tun den Unternehmen gut. Sie haben eine positive Wirkung auf die Gesprächskultur und den Umgang miteinander. Nein, aus Gründen der Chancengleichheit unterstützen wir den Frauenfußball nicht.

Welt am Sonntag: Aber sie sind ein Fan des Mannschaftssports.

Erich Staake: Ich finde es wichtig, dass Jugendliche Mannschaftssport betreiben. Damit fördern sie ihr soziales Verhalten. Bei Mädchen ist Sport in der Mannschaft weniger verbreitet als bei Jungen. Mädchen müssen doch nicht immer Steffi Graf oder Kati Witt als Vorbilder haben, das sind doch herausragende Individualisten. Ich war am Wochenende bei einem Turnier und habe ein Spiel unserer U15-Mädchen gesehen. Die müssen gegen Jungs spielen, weil sie unter den Mädchen keine Gegnerinnen mehr haben. Die haben eine Spielfreude gezeigt, das war unglaublich schön anzusehen. Wer von diesen Eigenschaften etwas in den Beruf und ins Leben mitnehmen kann, hat große Vorteile.

Welt am Sonntag: Mannschaftssport betreiben Sie auch im Unternehmen: Duisport hat gleich drei Gesellschafter und gehört jeweils zu einem Drittel dem Bund, dem Land und der Stadt Duisburg. Wie lebt es sich mit Ministerpräsidentin Hannelore Kraft, Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble und Oberbürgermeister Adolf Sauerland als Spielgestaltern?

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Erich Staake: Gut. Das Land Nordrhein-Westfalen setzt sich dafür ein, dass Duisport Treiber der Logistikentwicklung ist, und das sind wir auch. Wenn sich Kühne + Nagel bei uns mit den weltweit größten Logistikflächen des Konzerns ansiedelt, sind alle Seiten zufrieden. Kühne hätte damit auch in die Seehäfen Hamburg oder Bremen gehen können. Oder Nippon Yusen Kaisha: Die japanische Reederei hätte ihre Aktivitäten im Duisburger Hafen auch in Antwerpen oder Rotterdam ansiedeln können, sie hat sich aber für uns entschieden.

Welt am Sonntag: Und ausgerechnet der belgische Seehafen Antwerpen will sich im Rahmen der Privatisierung von Duisport mit einem Drittel an Ihrem Unternehmen beteiligen. Werden Sie den Belgiern als deren Vertreter in Deutschland dabei helfen?

Erich Staake: Ein belgischer Unternehmer hat mich vor vier Jahren einmal angerufen und gebeten, die Aufgabe zu übernehmen. Man freut sich über die Anerkennung und fühlt sich ein wenig geehrt. Aber machen Sie sich keine Sorgen, meine belgischen Freunde sind viel zu sensibel, als dass sie dieses Thema ansprechen oder irgendetwas von mir erwarten würden. Ich würde mir das auch verbitten. Die Privatisierung wird ein komplizierter Prozess werden, und der steht erst am Anfang. Die Gesellschafter werden damit aber höchst verantwortungsvoll umgehen. Es besteht ja Konsens, dass jede neue Konstellation den Duisburger Hafen in seinen strategischen Zielen voranbringen muss. Ich werde aber den Dingen nicht vorgreifen, das gehört sich einfach nicht.

Welt am Sonntag: Ein Dutzend Interessenten soll es geben. Unternehmen wie Rhenus, HHLA und Eurogate sollen darunter ebenso sein wie Regionalhäfen aus Nordrhein-Westfalen, Belgien und den Niederlanden. Was wollen die alle mit Duisport anfangen?

Erich Staake: Vor 13 Jahren, als ich hier angefangen habe, hätte sich niemand für eine Beteiligung am Duisburger Hafen interessiert. Aber in der Zwischenzeit haben wir 400 Hektar Industriefläche etwa auf dem ehemaligen Stahlwerk Rheinhausen an Unternehmen verpachtet und dort Logistikdienstleistungen angesiedelt. Aus ehemals 20 000 Beschäftigten sind heute 40 000 Menschen geworden, denen der Hafen Arbeit gibt. Wir fahren täglich Züge für die Metro und versorgen mehr als nur die Region mit Handelsware. Wir entsorgen die Bayerwerke am Rhein. Und sicherlich sind die Grundstücke in unserer Bilanz weit mehr Geld wert, als dort steht.

Welt am Sonntag: Auf das Image der Stadt hat diese Entwicklung aber kaum ausgestrahlt - das ist immer noch grau in grau.

Erich Staake: Das trifft in Teilen leider immer noch zu. Gerade ist die Zeche Walsum geschlossen worden, da haben wieder 5000 Menschen ihre Arbeit verloren. Denen muss man doch eine Perspektive bieten. Viel zu viele junge Leute verlassen das Ruhrgebiet, weil sie hier keine Zukunft sehen. Damit sie bleiben, müssen sich die Unternehmen der Region gemeinsam engagieren. Auch das zählt zu den zentralen Herausforderungen in der Region. Duisport leistet dazu einen konkreten Beitrag. Wir haben mit der Initiative Logport-Ruhr und dem damit verbundenen Zugriff auf frei werdende Bergbauareale der RAG Weichen für die Entwicklung im Ruhrgebiet gestellt. Das erste Areal davon steht bereits im nächsten Jahr zur Verfügung.

Welt am Sonntag: Was hätte eigentlich anstatt eines Managers aus Ihnen werden können?

Erich Staake: Landwirt, und ich hätte auch den Hof meines Vaters übernehmen können. Ich habe eine Lehre in der Landwirtschaft gemacht und bin auf ein landwirtschaftliches Gymnasium gegangen. Selbst als ich schon längst Manager bei Preussag war, habe ich noch auf dem Hof ausgeholfen, wenn mein Vater Urlaub machen wollte.

Das Gespräch führte Birger Nicolai

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