Siegfried Dietrich wird oft als Uli Hoeneß des Frauenfußballs bezeichnet. "Diesen Vergleich sehe ich als Kompliment, auch wenn wir in völlig unterschiedlichen Dimensionen arbeiten", sagt der Manager des 1. FFC Frankfurt. Ähnlich wie Honeneß war Dietrich einer der Ersten, der das wirtschaftliche Potenzial seines Sportes erkannte. Er war es, der den eigenen Verein zum Branchenprimus entwickelte, auch weil er immer wieder die besten Spielerinnen des Landes an den Main lotste.

In einem Punkt übertrifft Siegfried Dietrich sein Pendant aus dem Männerfußball sogar. Als Manager entscheidet er über alle Transfers des 1. FFC Frankfurt. Gleichzeitig berät er einige der besten deutschen Spielerinnen wie Nadine Angerer, Kim Kulig oder Saskia Bartusiak, die in der kommenden Spielzeit alle in Frankfurt ihr Geld verdienen. Das wäre so, als würde Uli Hoeneß Manuel Neuer und Mario Götze raten, wie sie ihre Karriere zu planen hätten. Am Ende würden alle beim FC Bayern landen.

In Dietrichs Doppelfunktion steckt ein Interessenskonflikt. Doch niemanden scheint es zu stören. Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) lässt ihn gewähren und nicht einmal Dietrichs Konkurrenten trauen sich den großen Mann des deutschen Frauenfußballs öffentlich zu kritisieren. Aus Angst vor Dietrichs Allmacht.

Trotz des mäßigen sportlichen Erfolges des DFB-Teams bei der WM vor wenigen Wochen wird der Frauenfußball weiter wachsen. Sportlich und wirtschaftlich. Die finanziellen Dimensionen liegen zwar noch weit unter denen des Männerfußballs. Aber die besten Spielerinnen verdienen Monatsgehälter im mittleren vierstelligen Bereich, die Werbung interessiert sich vermehrt für Fußballerinnen. Der Etat des 1. FFC Frankfurt soll für die neue Spielzeit, die am Wochenende startet, 1,8 Millionen Euro betragen. Auch im Frauenfußball gibt es Geld zu verdienen.

Doch es fehlt an professionellen Strukturen. Dem rasanten Wachstum des Frauenfußballs vor allem im vergangenen Jahrzehnt wurden zu wenige Spielregeln entgegengesetzt, sagen Insider. In diesem Umfeld könnten Einzelpersonen machen, was sie wollen. Im Guten, aber auch im Schlechten. Von einem feudalistischen System, Ämterhäufung und Funktionsverknüpfung ist die Rede. Wer mit Beteiligten, die nicht genannt werden wollen, spricht, bekommt den Eindruck, als ob durch die schnelle Entwicklung im Frauenfußball eine Welt ohne klare Strukturen und Regeln entstanden ist, wie einst im Wilden Westen. Und der flinkeste Revolverheld heißt Siegfried Dietrich.

Dabei hatte Dietrich mit Fußball oder gar Frauenfußball zunächst nichts zu tun. Der Waldorfschüler und Sohn eines Theologieprofessors knetet zu Beginn seines Berufslebens als Physiotherapeut die Schenkel von Eiskunstlauf-Stars. Dabei lernt er die große Sportwelt kennen und das Geld, das es in ihr zu verdienen gibt. Er fängt an, Eiskunstlauf-Galas zu promoten und Jugend-Tennisturniere zu veranstalten. Ohne Management-, Betriebswirtschaft- oder Marketingstudium.

In den neunziger Jahren entdeckt Dietrich den Frauenfußball. Er wird Investor des 1. FFC Frankfurt, den er 1998 mitgründet und entwickelt ein ausgeklügeltes Geschäftsmodell. Vom Verein übernimmt er die Vermarktungsrechte und garantiert dafür jährlich eine bestimmte Einnahme. Je mehr Sponsoren Dietrich wirbt, umso höher sind seine eigenen Gewinne. Mittlerweile finden sich auf der Homepage des 1. FFC die Logos neun großer Sponsoren und fast zwei Dutzend weiterer Partner, unter anderem auch das von Dietrichs eigener Agentur SiDi-Sportmanagement. Dietrich machte die Frankfurter zum wohlhabendsten Frauenfußballklub des Landes.

"Für mich ist der Frauenfußball eine Herzensangelegenheit", sagt er. Und überhaupt wolle er doch die gesamte Liga weiterentwickeln. Seine Kritiker können darüber nur lachen. Dietrich gehe es zuerst ums Geld und dann um seinen eigenen Verein, sagen sie. Dabei scheint er die Regeln der Branche nicht immer einzuhalten.