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Wirtschaft Teure Ausbildung

Deutschland gehen schon bald die Busfahrer aus

Wirtschaftskorrespondent
Fachkraft gesucht: Die Anbieter von Busreisen plagen Nachwuchssorgen Fachkraft gesucht: Die Anbieter von Busreisen plagen Nachwuchssorgen
Fachkraft gesucht: Die Anbieter von Busreisen plagen Nachwuchssorgen
Quelle: picture alliance / dpa-tmn
Der Fachkräftemangel hat die Verkehrsbetriebe erreicht. Ihnen fehlen tausende Busfahrer, weil kaum einer den Führerschein bezahlen will.

Wer braucht schon einen Ferrari, wenn er einen Bus fahren kann? Mit diesem provokanten Slogan wirbt die Wiesbadener Verkehrsgesellschaft ESWE derzeit humorvoll um neues Personal. Der Hintergrund dieser heiteren Kampagne allerdings ist ernst. Denn die Hessen haben wie fast alle Busunternehmen in Deutschland ein Fachkräfteproblem.

„Es gibt hierzulande viel zu wenig Busfahrer“, klagt Richard Eberhardt, der Präsident des Internationalen Bustouristik Verbandes RDA. Und damit nicht genug. Schon jetzt sei absehbar, dass sich die Situation in den kommenden Jahren noch mal dramatisch verschlimmern wird, vor allem bei den Anbietern von Busreisen. Denn von deren derzeit gut 120.000 registrierten Fahrern geht alleine ein Drittel bis zum Jahr 2015 in den Ruhestand.

Dass es für die zahlreichen Abgänger nicht genügend Nachrücker fürs Steuer der 350-PS-Gefährte gibt, liegt vor allem am Geld. „Interessenten sind genug da, vor allem über den zweiten Bildungsweg“, sagt Eberhardt. „Die meisten können es sich aber nicht leisten, Busfahrer zu werden“, erklärt der Unternehmer. „Weil der Führerschein so teuer ist.“

Rund 12.000 Euro kostet die Ausbildung. „Das ist schon eine enorme Hürde“, weiß Eberhardt. Denn die Kosten werden üblicherweise von den Fahrern selbst und nicht von den Unternehmen bezahlt. Zumal die angesichts des heftigen Wettbewerbs in der Branche ohnehin scharf kalkulieren. „Da können wir nicht mal eben 120.000 Euro für zehn neue Busfahrer bezahlen“, sagt Eberhardt.

EU und BA sollen Ausbildungskosten übernehmen

Der Verband fordert daher Hilfe von der Politik. „Wir brauchen neue Rahmenbedingungen“, sagt Eberhardt – und meint damit Fördermodelle, bei denen die Europäische Union und die Bundesagentur für Arbeit einen Großteil der Ausbildungskosten übernehmen.

Die Personalsorgen treffen die Anbieter von Busreisen zur Unzeit. Denn eigentlich sind die Zukunftsaussichten der Branche in den kommenden Jahren glänzend. „Wir profitieren von der Demographie“, begründet Dieter Gauf, der Hauptgeschäftsführer des RDA. Schon jetzt sind bei Urlaubsreisen mit dem Bus knapp 60 Prozent der Passagiere Senioren. Dementsprechend viel rechnen sich die rund 4500 heimischen Busunternehmen von der stetig alternden Gesellschaft in Deutschland aus. „Unser Marktanteil wird steigen“, ist sich Gauf sicher. 2010 lag der Wert bei rund neun Prozent.

Das entspricht knapp sechs Millionen Busurlaubsreisen, also Fahrten, die mindestens fünf Tage gedauert haben. Hinzu kommen rund 15 Millionen Kurzreisen über zwei bis vier Tage, knapp 20 Millionen kombinierte Urlaubstouren, bei denen der Bus nur teilweise in Benutzung ist, und weitere 70 Milluonen sogenannte Gelegenheitsverkehre, also Tagesfahrten und Ausflüge.

Letztere dürften in diesem Jahr vor allem von der Bundesgartenschau in Koblenz und vom Papst-Besuch in Berlin, Erfurt und Freiburg getrieben sein. Den Umsatz für die zusammen 111 Millionen Fahrten anno 2010 schätzt der RDA auf rund 10,5 Milliarden Euro. In diesem Jahr dürften die Erlöse weit darüber liegen. RDA-Chef Eberhardt jedenfalls berichtet von einem positiven ersten Halbjahr mit teils deutlichen gestiegenen Gäste- und Umsatzzahlen. „Die Zeichen stehen auf Wachstum“, frohlockt der Unternehmer über den aktuellen Busreisenboom. Zum einen sei die krisenbedingte Zurückhaltung der Kunden endgültig vorbei.

Zum anderen profitiere die Branche davon, dass klassische Fernreiseziele wie Ägypten und Tunesien gemieden werden. Zu den beliebtesten Reisezielen zählen im Ausland Italien, Österreich, Polen, Spanien und die Tschechische Republik. Spitzenreiter in Deutschland sind Bayern, Mecklenburg-Vorpommern, Baden-Württemberg, Schleswig-Holstein und Hessen.

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Zwar wird nach wie vor der klassische Badeurlaub gebucht. „Wir erleben derzeit aber einen Trend zu Gesundheitsreisen, unter anderem in die tschechischen Kurbäder“, berichtet Hermann Meyering, der sowohl Geschäftsführer von Busanbieter Reise-Allianz aus dem emsländischen Lingen ist als auch Vorsitzender der Gütegemeinschaft Buskomfort (gbk).

Zudem sei die Nachfrage nach Wander- und Radtouren gestiegen, die mit einer Busreise kombiniert werden. Um das eigene Verkehrsmittel noch attraktiver und komfortabler zu machen, setzen die Unternehmen dabei auf mehr Beinfreiheit und kleine Hightech-Küchen in den Bussen. Gleichzeitig wird auch technisch aufgerüstet.

Denn allein auf Senioren als Zielgruppe wollen sich die Veranstalter von Busreisen nicht verlassen. „Wir rüsten die Fahrzeuge zu Multi-Media-Bussen um“, beschreibt Meyering. So gebe es mittlerweile W-Lan-Hotspots, DVD-Spieler, Blue-Rays und Spielekonsolen und darüber hinaus an jedem Platz eine Steckdose für die eigenen Geräte. Auf diese Weise soll der Bus auch für jüngere Urlauber attraktiv werden.

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