Die Deutsche Bahn dementiert Meldungen, dass sie sich auf ein Ende des umstrittenen Bahnprojekts vorbereite.  

Stuttgart/Berlin - Trifft die Deutsche Bahn Vorkehrungen für einen Ausstieg aus dem Projekt Stuttgart 21? Das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ berichtet, dass der Infrastrukturvorstand Volker Kefer detailliert ausrechnen lasse, wie teuer ein Ausstieg aus dem Milliardenprojekt für die Bahn wäre. Das Ergebnis solle auf der nächsten Aufsichtsratssitzung noch vor Jahresende beraten werden.

 

Der Schienenkonzern hat am Sonntag umgehend auf die Vorabmeldung des Magazins reagiert. „Die Bahn denkt nicht daran, aus dem Projekt auszusteigen“, sagte Projektsprecher Wolfgang Dietrich. Der Vorstand sei unverändert fest entschlossen, Stuttgart21 zu bauen, der Aufsichtsrat unterstütze den Vorstand darin uneingeschränkt. Die Berechnung, die im Übrigen laufend aktualisiert werde, sei keine Vorkehrung für einen Projektausstieg, sagte Dietrich. Vielmehr wolle man vor der Volksabstimmung zu Stuttgart21 am 27.November wissen, welche Schadenersatzforderung die Bahn gegenüber der grün-roten Landesregierung geltend machen würde, falls diese nach dem Bürgervotum mit dem Konzern in Verhandlungen zu einem Ausstieg Baden-Württembergs aus dem Projekt treten würde.

Optimismus sieht anders aus

Die aktualisierte Zahl werde nicht erst im Dezember vorliegen, sondern schon im Oktober, so Dietrich. „Die Bürger haben vor der Volksabstimmung das Recht zu erfahren, was es kostet, wenn das Land aussteigt.“ Der neue Wert werde vermutlich über den bisher veranschlagten Ausstiegskosten von 1,5 Milliarden Euro liegen, die von Gutachtern in der Schlichtung „als realistisch testiert wurden“, weil das Projekt seither fortgeschritten sei. Dass Bahn-Mitarbeiter Ansprüche des Unternehmens gegen das Land kalkulieren, ist nicht neu, die Stuttgarter Zeitung hatte darüber vor wenigen Tagen berichtet. Dass die Bahn durchaus Zweifel hegt, ob Stuttgart 21 im bisher gesetzten Rahmen gegen den Widerstand des Landes verwirklicht werden kann, wurde nach der Lenkungskreissitzung am Freitagabend einmal mehr deutlich.

„Wir kämpfen um Stuttgart 21“, sagte der Bahn-Technikvorstand Volker Kefer mit gefrorenem Lächeln. Im gleichen Atemzug betonte er, wie er sich danach sehne, „dass das Projekt in den Normalzustand zurückgeführt wird“. Von Optimismus beseelt war der Satz nicht. Kefer befürchtet längst, „dass wir aus dem Konflikt nicht herauskommen“. Die Folgen könnten weitreichend sein. „Wenn der Grunddissens bestehen bleibt, laufen wir Gefahr, dass das Projekt sowohl aus dem Kosten- als auch aus dem Zeitplan herausfällt“, sagte der Bahn-Manager, und es klang, als habe sich der Frust bereits tief eingenistet. Schließlich habe der Bau des Tiefbahnhofs bei allen sachlichen Auseinandersetzungen auch eine menschliche Komponente, sagte Kefer. „Es macht keinen Spaß, auf Dauer an einem Projekt zu arbeiten, über das es einen so grundlegenden Dissens gibt.“ Er plädierte dafür, „dass wir in einer Weise miteinander umgehen, die fair bleibt.“

Wenigstens in diesem Punkt ist Kefer einig mit seinem schärfsten Widersacher. „Was im Moment geschieht, ist für alle Beteiligten eine extreme Belastung“, sagte Verkehrsminister Winfried Hermann, und dies werde so bleiben. Beide aus Sicht der Grünen denkbaren Szenarien bergen Schwierigkeiten: „Wenn die S-21-Befürworter die Volksabstimmung gewinnen, gilt immer noch der Kostendeckel von 4,5 Milliarden Euro. Die Bahn muss dann sehen, wie sie damit klarkommt, wenn Unvorhergesehenes eintritt“, so Hermann. Auch wenn das Projekt kippe, werde es schwierig: „Dann müssen wir mit der Bahn eine völlig neue Planung machen.“ Deswegen sei es wichtig, sich mit Respekt zu begegnen. „Wir können trotz aller Meinungsverschiedenheiten noch miteinander lachen“, sagte Hermann. „Wir wissen, dass wir noch eine Weile miteinander geschirren müssen.“