Etwa die Hälfte der Bevölkerung befürwortet das umstrittene Bahnprojekt Stuttgart 21. Das ergab eine Umfrage von TNS Infratest Politikforschung im Auftrag der Freien Universität Berlin, die Anfang August durchgeführt wurde. Fünfzig Prozent der Baden-Württemberger haben demnach nichts gegen das Bauvorhaben der Bahn – auch nach dem umstrittenen Stresstest. "Alle wollen den Mühlstein Stuttgart 21 irgendwie mit Anstand vom Halse haben", sagte der  Professor Peter Grottian. Konfrontation, Erschöpfung und Friedenssehnsucht seien näher beieinander, als manche es wahrhaben wollen.

Laut der Freien Universität werden die besten Chancen dem Kompromissvorschlag des Schlichters Heiner Geißler (CDU) zugestanden. Geißler hatte angeregt, einen kleinen Kopfbahnhof zu erhalten. Nur der Fernverkehr solle unter die Erde verlegt werden, so sein Vorschlag. Die Regionalbahnen sollten weiter im Kopfbahnhof verkehren. Immerhin knapp 70 Prozent der Befragten finden, dass über diesen Vorschlag diskutiert werden solle.

Grottian sagte, der Geißler-Vorschlag hole die SPD ins Boot und erlaube der Bahn, ihr Gesicht zu wahren. Und auch die CDU könne von dem Vorschlag profitieren. "Die Bundeskanzlerin hat das doppelt listige Geschenk von Geißler noch nicht erkennbar verstanden: In Stuttgart Frieden zu stiften und eine prinzipienfeste Machtoption für Schwarz-Grün möglich zu machen", sagte Grottian.

Ähnlich wie in früheren Untersuchungen sind neben den Befürwortern weiterhin rund 35 Prozent der Bevölkerung in Baden-Württemberg gegen das Bahnprojekt, 15 Prozent unentschieden. Im Großraum Stuttgart liegt die Zahl der Befürworter jedoch mit 58 Prozent sogar noch etwas höher.

Große Differenzen zeigen sich dabei unter den Anhängern der verschiedenen Parteien. So finden knapp drei Viertel der CDU-Anhänger die Verlegung des Bahnhofes unter die Erde richtig. Bei den SPD-Sympathisanten sind es rund die Hälfte und bei den Grünen dagegen nur ein Viertel.

In Stuttgart gehen die Demonstrationen gegen das Bahnhofsprojekt weiter. Geißlers Vorschlag konnte die Situation noch nicht spürbar beruhigen. Der Sprecher des Aktionsbündnisses gegen Stuttgart 21, Hannes Rockenbauch, kündigte erneut einen "heißen Herbst" an, wenn die Bahn mit ihren Aktionen weitermache. Sollte der Südflügel des unter Denkmalschutz stehenden Bahnhofsgebäudes abgerissen oder weitere Bäume im Schlossgarten gefällt werden, werde es neue friedliche Protestaktionen geben, sagt Rockenbauch.