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Umstrittener Kredit BW-Bank widerspricht Wulff

Christian Wulff steht weiter in der Kritik. Nach der "Bild"-Zeitung widerspricht auch die BW-Bank der Darstellung des Bundespräsidenten im TV-Interview. Der Kreditvertrag zur Finanzierung seines Hauses sei anders als von Wulff geschildert nicht bereits im November besiegelt worden.
Bundespräsident Christian Wulff: Erneut Widersprüche

Bundespräsident Christian Wulff: Erneut Widersprüche

Foto: Markus Schreiber/ AP

Berlin - Am Freitag ging der Bundespräsident zum Tagesgeschäft über: Er begrüßte Kinder und Jugendliche aus dem Bistum Essen zum traditionellen Sternsingerempfang im Schloss Bellevue. Es war Christian Wulffs erstes offizieller Termin in diesem Jahr. Doch zur Ruhe kommt er nicht. In der Affäre um seine Hausfinanzierung ergeben sich neue Fragen.

Die BW-Bank widersprach der Darstellung des Bundespräsidenten in dem TV-Interview, wie "Die Welt" berichtet. Demnach kam der Vertrag für ein langfristiges Darlehen zur Finanzierung des Einfamilienhauses nicht bereits Ende November 2011 zustande, wie es Wulff am Mittwoch bei ARD und ZDF gesagt hatte. Denn im November hätten sich die Bank und Wulff nur mündlich geeinigt.

Wulff hatte bei ARD und ZDF erklärt, es habe bereits am 25. November 2011 eine Einigung gegeben. "Es gilt auch Handschlagqualität in diesem Bereich, wenn man sich mit einer Bank verständigt."

Die von Wulff behauptete "Handschlagqualität" reiche jedoch nach Auskunft der Bank nicht aus, um den Vertrag wirksam werden zu lassen, schreibt die Zeitung. "Ein Kreditvertrag mit Verbrauchern bedarf der Schriftform", so die Bank. Einen schriftlichen Vertrag schickte das Geldinstitut erst am 12. Dezember an Wulff. Er unterschrieb am 21. Dezember und damit rund eine Woche nach den ersten Medienberichten über seine Hausfinanzierung.

Das bestätigte bereits am Donnerstag Günter Hörmann, Geschäftsführer der Verbraucherzentrale Hamburg, SPIEGEL ONLINE: "Die Aussage von Herrn Wulff im Interview ist falsch. Ein Verbraucherkreditvertrag bedarf nach Paragraf 492 Bürgerliches Gesetzbuch der Schriftform."

Mehrheit der Deutschen will Wulff vorerst zweite Chance geben

Sein Auftreten bei ARD und ZDF hat die Mehrheit der Deutschen nicht überzeugt. 61 Prozent derjenigen, die das Gespräch gesehen hatten, fanden Wulff eher nicht überzeugend. Nur 30 Prozent sahen ihn positiver, so das Ergebnis des aktuellen "ARD-Deutschlandtrend extra". Die Mehrheit der Befragten zeigte sich dennoch vorerst gnädig: 60 Prozent waren der Ansicht, das Staatsoberhaupt habe "jetzt eine zweite Chance verdient". 36 Prozent sahen dies anders. 56 Prozent sprachen sich in der ARD-Blitzumfrage von Infratest dafür aus, dass Wulff im Amt bleibt - neun Punkte mehr als am Mittwoch vor dem Interview. 41 Prozent waren am Donnerstag dafür, dass Wulff zurücktritt (Mittwoch: 50).

Der Bundespräsident konnte im Vergleich zum Mittwoch in punkto Glaubwürdigkeit und Ehrlichkeit nur leicht zulegen und erzielt weiterhin schwache Werte. 57 Prozent geben sogar an, dass sie "das Verhalten unseres Bundespräsidenten peinlich finden". Dies zeigen auch Abstimmungen und Zuschriften an SPIEGEL ONLINE, danach vertrauen immer weniger Leser dem Bundespräsidenten.

Homburger fordert Klarheit über Drohanruf

Keine Entspannung gibt es auch in der Affäre um Wulffs Drohanruf bei "Bild"-Chefredakteur Kai Diekmann. Dabei steht die Frage im Raum, ob es darum ging, einen kritischen Bericht über den Hauskredit zu verzögern oder ganz zu unterbinden.

Hier steht weiterhin Aussage gegen Aussage: Wulff sagt, er habe Diekmann nur um einen Tag Aufschub gebeten; der "Bild"-Zeitung zufolge hat der Bundespräsident den Bericht aber verhindern wollen.

Die stellvertretende FDP-Vorsitzende Birgit Homburger forderte den Bundespräsidenten auf, Klarheit über sein Telefonat zu schaffen. Die Debatte darum sei nicht gut für das Ansehen des Staatsoberhaupts. "Das höchste Staatsamt ist in Mitleidenschaft gezogen worden. Die Debatte schadet auch dem Ansehen der Bundesrepublik Deutschland", so Homburger.

Auch für den Vorsitzenden der Grünen im niedersächsischen Landtag in Hannover, Stefan Wenzel, bleiben nach Wulffs TV-Gespräch wesentliche Fragen weiter offen. "Dass Herr Wulff den Text seines Anrufs beim 'Bild'-Chef nicht gedruckt sehen möchte, macht seine Ausführungen in dem Interview nicht glaubwürdiger", sagte Wenzel der "Passauer Neuen Presse".

SPD-Fraktionsvize Hubertus Heil plädierte für eine Veröffentlichung der Mailbox-Nachricht. "Dann wissen wir, ob er tatsächlich eine Berichterstattung unterdrücken wollte - das wäre unwürdig für ein Staatsoberhaupt gegenüber freier Presse - oder ob es lediglich um die Bitte um Verschiebung ging", sagte er im ARD-"Morgenmagazin".

Diekmann: "Bild" will kein Duell mit Wulff

"Bild"-Chefredakteur Diekmann selbst stellte nun in einem "Bild"-Kommentar am Freitag klar, dass es seine Zeitung keineswegs auf ein Duell mit Wulff anlege: Wer "den Fall und die Probleme des Bundespräsidenten jetzt zu einem 'Machtkampf' zwischen dem ersten Mann im Staat und der größten Zeitung im Land aufpumpt, der geht wahrhaft völlig in die Irre."

Die Medien spielten in der Debatte eine Rolle, so Diekmann. "Sie stellen Fragen, decken Fehler auf, legen Widersprüche bloß. Aber sie entscheiden nicht. Das tun die politischen Parteien. Die Bürger, die sich ihr Urteil bilden. Und ganz zuerst Christian Wulff selbst."

Wulff hatte am Donnerstag die Veröffentlichung seines Telefonanrufs bei der "Bild"-Zeitung verweigert. Die Zeitung hatte zuvor Wulffs Version widersprochen und ihn gebeten, die umstrittenen Äußerungen auf Diekmanns Mailbox verbreiten zu dürfen. Wulff lehnte ab und erklärte, er wolle es bei seiner persönlichen Entschuldigung bei Diekmann belassen. "Bild" bedauerte die Entscheidung, will aber auf eine Veröffentlichung verzichten.

heb/AFP/dpa/Reuters