Kim Kulig sagt oft kluge Sachen. Sie hat Abitur, Leistungskurse Sport und Französisch, und erklärte einmal, dass ihr Fußballspielen auf Dauer zu dumm ist. Sie brauche Nahrung für den Kopf. Nach dem 3:0-Testspiel-Sieg gegen Norwegen sagte sie etwas, das ihre Gegenüber aber die Stirn runzeln ließ. "Wir werden bei der WM gegen ganz andere Gegner spielen", erzählte sie, um den eigenen Erfolg herunterzuspielen. Und sie machte das so gut, dass sie zunächst vergaß: Auch Norwegen ist bei dem großen Turnier dabei.

Die junge Mittelfeldspielerin ist demnach ebenso ein Teil dieses verschwörerischen Plans, als dessen Urheberin die Bundestrainerin Silvia Neid identifiziert werden kann: sich selbst klein reden, den Druck wegnehmen, nicht zu viele Erwartungen schüren bei den Vätern mit ihren Töchtern, den Schulklassen und den Gymnastik-Kursen, die den Großteil der 13.800 Zuschauer im Mainzer Bruchweg-Stadion stellten. Je weniger die auf den WM-Pokal hoffen, umso größer die Freude, wenn die Nationalelf ihn am Ende doch in die Höhe recken kann.

Nun ist das mit den niedrigen Erwartungen nach vier Testspielsiegen mit 15:0 Toren eine schwierige Sache. Silvia Neid gab sich, rührend fast, dennoch alle Mühe: "So ein Spiel kann auch ganz schnell nach hinten losgehen. Die Spielerinnen sollten nicht auf Wolke sieben schweben", sagte sie. Und: "Wir werden das Spiel analysieren und dann werden die Spielerinnen schon sehen, dass nicht alles Gold ist, was glänzt." Drei Sätze, drei Phrasen, eine Aussage: Wir sind gut, aber bitte lasst uns uns nicht zu sicher fühlen! Hinterhältigerweise vermasselte Norwegens Trainerin Eli Landsem, die in kurzen Sporthosen auf das Mikrofonpodest kletterte, der Bundestrainerin die Tour. "Deutschland ist der größte Turnierfavorit", sagte sie freundlich. Silvia Neid hätte ihr am liebsten das Mikrofon zugehalten.

Beherzter Griff auf die Reservebank

Im ersten Augenblick konnte man die deutsche Trainerin verstehen. Tatsächlich lief nicht alles rund im deutschen Spiel. Es gab ein paar Wackler in der Abwehr, etliche verlorene Zweikämpfe im Mittelfeld und vor allem in der ersten Hälfte ein Geschwindigkeitsdefizit im Angriff. Wenn man genau hinschaute, erkannte man aber, dass es immerhin so rund lief, dass Silvia Neids Frauen die Norwegerinnen, die viele Experten zum erweiterten Favoritenkreis zählen, spielerisch stets dominierten. Und dass die deutschen Probleme nicht zum ersten Mal auf die wohl einfachste Art gelöst werden konnten: durch einen beherzten Griff auf die Reservebank.

In Halbzeit eins taten die Erfahrenen Inka Grings und Birgit Prinz Dienst in vorderster Reihe. Zusammen sind sie 65 Jahre alt, haben 300 Länderspiele absolviert und 190 Tore geschossen. Zehn Tage vor ihren Karrierehöhepunkten aber bereiten beide etwas Kummer. Gegen Norwegens schnelle Abwehr wirkten Grings und Prinz oft lahm und kraftlos. Vor allem die Kapitänin Birgit Prinz, was Silvia Neid mit deren noch nicht vollständig verheilter Verletzung erklärte. Die Verletzung erklärte aber nicht, warum sich Birgit Prinz meist für den falschen Pass und manchmal auch den falschen Laufweg entschied.

Es war kein Zufall, dass die Tore für das deutsche Team erst ab der 79. Minute fielen. Drei Tore innerhalb von drei Minuten waren es. Vielleicht hat der plötzlich einsetzende Platzregen die Norwegerinnen verunsichert, der zeitweilig so stark auf das wellblecherne Tribünendach klopfte, dass selbst die unvermeidlichen Klatschkappen nicht mehr zu hören waren. Wahrscheinlicher aber ist, dass Popp, Bajramaj und Behringer den Impuls gaben, Silvia Neid hatte sie in der Halbzeitpause eingewechselt.