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Warum der DFB Potsdams wilde Torfrau ausbootet

Anna Felicitas Sarholz ist Deutschlands talentierteste Torhüterin. Heute steht sie im Champions-League-Finale – doch die Nationalelf will sie nicht.

Sie kann noch so gut sein, Anna Felicitas Sarholz wird sich strecken und recken können, aber so reaktionsschnell wie der beste Fußballtorwart der Welt kann sie nicht sein. Beide sind sie dieser Tage in London, die 18 Jahre alte Schlussfrau von Turbine Potsdam und „Robokeeper“.

Im Hyde Park stellt das mechanische Wunderwerk beim „Champions League Festival“ eine Woche lang gegen kleine und große Fußballfreunde seine Unbezwingbarkeit unter Beweis. Doch was immer gegen ihn unternommen wird – zwei Kameras und eine Bildverarbeitungssoftware werden den „Robokeeper“ unfehlbar allen ihm zufliegenden Bällen entgegensteuern.

Sarholz muss sich bei ihrer Arbeit auf menschliches Geschick verlassen. Dafür genügen ihr im Endspiel der Königsklasse der Frauen Donnerstagabend (21.00 Uhr, ZDF und Eurosport) gegen Olympique Lyon auch schon 90 fehlerfreie Minuten zu Ruhm und Ehre, vielleicht werden es 120, notfalls folgt noch ein Elfmeterschießen.

So wie vor einem Jahr, als sie i m Premierenfinale beim 7:6 nach Elfmeterschießen gegen denselben Gegner zur „Heldin von Getafe“ wurde . Sarholz parierte zwei Versuche der Französinnen und traf obendrein für Potsdam mit dem entscheidenden Schuss. „Ich hatte noch nie Probleme mit Drucksituationen“, sagt die junge Frau selbstbewusst. Folglich ist sie „auch 100-prozentig überzeugt, dass wir wieder gewinnen“.

Nun legt die Logik es nahe, dass eine Torhüterin, die womöglich zweimal in Folge der besten Klubmannschaft Europas angehört, auch in einem Torhüterland wie Deutschland für gut genug befunden wird, zumindest dem Aufgebot für eine Weltmeisterschaft anzugehören. Silvia Neid aber, die Bundestrainerin, die ihren Kader auf die am 26. Juni beginnende WM im eigenen Land vorbereitet , hat dazu eine ganz andere Meinung. Sie beharrt darauf, „die besten Torhüterinnen Deutschlands“ versammelt zu haben – und Sarholz gehöre nicht dazu.

„Anna ist talentiert, aber nur mit sehr viel Arbeit wird sie ihren Weg machen. Sie hat noch viele Schwächen“, sagte die Bundestrainerin der „Welt“: „In der Torwarttechnik muss sie noch viel besser werden, genauso bei der Athletik, und auch bei der Sprungkraft hat sie Defizite.“

Schlimm für Sarholz wäre es, wenn diese wenig schmeichelhafte Beurteilung mehr wäre als nur ein vorgeschobenes Argument für ihre Nichtnominierung. Denn in dem Fall hat die junge Frau mit dem Hang zu Tätowierungen auch sportlich ein Problem. Charakterlich ist sie beim DFB vorerst ohnehin unten durch.

Das Dilemma nahm seinen Anfang vor nun genau einem Jahr. Damals reiste Sarholz zwar noch wie vereinbart von Getafe direkt ins Trainingsquartier der deutschen U19-Nationalmannschaft in Heusenstamm. Doch schon am Testspiel am Abend nahm sie nicht teil. Anderntags informierte sie den Trainerstab darüber, dass sie auch nicht wie geplant mit zum EM-Turnier nach Mazedonien mitreisen werde. Sie fühle sich psychisch nicht dazu in der Lage, ließ Sarholz wissen. Als Erklärung gab sie zum einen private Probleme an, und sie sei nach dem emotionalen Höhepunkt von Getafe auch in sportlicher Hinsicht nicht mehr ausreichend motiviert. Was will ein Trainerteam da machen?

„Wir haben sie mit guten Worten entlassen und dem Hinweis, dass sie sich helfen lässt“, sagt Maren Meinert, die U19-Nationaltrainerin. Doch statt sich zurückzuziehen, nahm Sarholz ausgelassen an sämtlichen Potsdamer Feierlichkeiten teil. Auf Meinert machte sie dabei „nicht den Eindruck, sie wäre überfordert oder erkrankt“.

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Auf nur einen Fall von später Pubertät hoffte auch der DFB, also trafen sich beide Seiten Ende vergangenen Jahres in Leverkusen – um, wie Meinert hoffte, eine Entschuldigung der fahnenflüchtigen Sarholz zu erhalten, womit die Sache aus der Welt geschafft worden wäre. Alle Anstrengungen hätten sie unternommen, sagt die Auswahltrainerin, „um Anna goldene Brücken zu bauen“. In einem Gespräch in durchaus großer Runde sollte dem Talent nochmals veranschaulicht werden, dass nicht allein technische Fähigkeiten den Weg in Elitemannschaften ebnen. Sondern dass dazu auch ein gewisses Bewusstsein für das Thema Teamgeist gehört. Sarholz aber habe – trotz Begleitung durch ihren streng auf Disziplin achtenden Vereinstrainer Bernd Schröder – einfach nur dagesessen, zugehört und gar nichts gesagt.

Die Torhüterin habe wohl gehofft, ihre bloße Teilnahme würde zur Wiedergutmachung ausreichen, interpretiert Meinert deren stoisches Verhalten. Das Treffen endete ergebnislos, und auch in der Folge erreichten den DFB aus Potsdam keinerlei Signale der Versöhnung. Sarholz sagt auf Anfrage nur, dass sie „zum Thema DFB gar nichts sagen“ möchte, und Schröder teilt sinngemäß mit, dass der Verband schon über sehr gute Torhüterinnen verfügen müsse, wenn er freiwillig auf Sarholz verzichte.

Genau das ist jedoch der Fall, bei der A-Nationalmannschaft ebenso wie bei der U19. Für die beginnt kommende Woche wieder die alljährlich stattfindende EM-Endrunde, in Italiens Norden diesmal. Sarholz gehört auch hier nicht zum deutschen Aufgebot.

„Ich kann vor meiner Mannschaft und auch vor mir selbst nicht verantworten zu sagen: ‚Ich gehe noch mal auf Anna zu’“, sagt Meinert. „Zu einer Auswahl, die wir nun mal sind, willst du entweder dazugehören, oder du willst es eben nicht.“ Das Thema Sarholz sei beim DFB nicht für alle Zeit vom Tisch. Momentan aber schon.

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