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Ehec-Erreger Behörde warnt vor norddeutschem Gemüse

Die lebensbedrohliche Darmerkrankung breitet sich immer dramatischer aus. Jetzt warnt das Robert-Koch-Institut davor, rohe Tomaten, Salatgurken und Blattsalate aus Norddeutschland zu essen - doch ob diese Gemüse der Auslöser sind, ist keinesfalls sicher.
Ehec-Erreger: Behörde warnt vor norddeutschem Gemüse

Ehec-Erreger: Behörde warnt vor norddeutschem Gemüse

Foto: Daniel Karmann/ dpa

Berlin - Während sich der heimtückische Ehec-Erreger immer weiter ausbreitet, suchen Experten fieberhaft nach dem Auslöser für die lebensbedrohliche Darmerkrankung. Jetzt gibt es erste konkretere Hinweise: Das Robert-Koch-Institut (RKI) rät vom Verzehr roher Tomaten, Salatgurken und Blattsalate aus Norddeutschland ab.

Wie aus einer am Mittwoch in Berlin vorgestellten epidemiologische Studie des RKI und der Hamburger Gesundheitsbehörden hervorgeht, könnte der Verzehr von einem oder mehreren dieser Lebensmittel einen Großteil der schweren Ehec-Erkrankungen erklären. Die Erkrankten in der Studie hätten diese Gemüsesorten deutlich häufiger gegessen als gesunde Studienteilnehmer. Dennoch sei nicht auszuschließen, dass auch andere Lebensmittel als Infektionsquelle in Frage kommen.

Laut RKI ist Norddeutschland nach wie vor am stärksten von Ehec-Erkrankungen betroffen. Daher sei es denkbar, dass die kontaminierten Lebensmittel vorrangig dort vertrieben werden. Allerdings seien dem RKI auch Fälle aus anderen Bundesländern gemeldet worden, so dass auch es auch dort kontaminierte Lebensmittel geben könnte.

Der Norden ist besonders schwer betroffen

In der Studie wurden den Angaben zufolge seit vergangenen Freitag 25 Erkrankte und 96 gesunde Personen intensiv zu Ernährungsgewohnheiten und anderen möglichen Infektionsquellen befragt. Da die Studie nur in Hamburg durchgeführt wurde, habe diese nur bedingt Aussagewert für andere betroffene Orte, betonte das RKI.

In Norddeutschland hat es am Mittwoch zwei weitere Todesfälle im Zusammenhang mit Ehec gegeben. Eine 41 Jahre alte Frau aus dem Landkreis Cuxhaven in Niedersachsen und eine 89-jährige Frau aus Schleswig-Holstein starben. Insgesamt stieg die Zahl der Todesopfer in Verbindung mit Ehec damit auf vier. Auch die Zahl der Erkrankungen und Verdachtsfälle nahm am Mittwoch weiter zu.

Nach Angaben des RKI stieg die Zahl der schweren Fälle inzwischen auf 140, insgesamt sollen 600 Menschen erkrankt sein. Am Dienstag waren es noch etwa 460. Es gebe so viele Erkrankte pro Woche wie sonst in einem Jahr. "An sich muss das jetzt abfallen, das kann nicht weitergehen", sagte Burger weiter. Doch gilt das laut RKI nur dann, wenn nun ein Verursacher-Lebensmittel gefunden wird oder es sich eben um ein Lebensmittel von kurzer Haltbarkeit handelt.

In Hamburg werden nach Angaben der Behörden 59 Personen zwischen neun und 77 Jahren stationär behandelt. In Kiel gab das Gesundheitsministerium ebenfalls 59 Fälle bekannt. In Niedersachsen waren es 28 Fälle. Mittlerweile geht das RKI auch ersten Verdachtsfällen in Süd- und Ostdeutschland nach.

Das Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) befürchtet, dass dort Ehec-Patienten sterben werden. "Wir müssen damit rechnen, Patienten zu verlieren", sagte der Nierenspezialist Rolf Stahl. Es gebe einige schwer Erkrankte am UKE. Nach Angaben des Krankenhauses werden derzeit 33 Erwachsene und 14 Kinder behandelt. Der ärztliche Direktor Prof. Jörg Debatin sagte, es sei die größte Herausforderung für das Krankenhaus seit mehreren Jahren.

Virologe: Ehec-Keime könnten absichtlich in Umlauf gebracht worden sein

Das Bundesverbraucherschutzministerium hält die Warnung für eine sinnvolle Maßnahme. "Die ersten Untersuchungsergebnisse des Robert-Koch-Instituts geben Hinweise darauf, dass die jüngsten Infektionen mit Ehec mit hoher Wahrscheinlichkeit durch den Verzehr von rohen Tomaten, Salatgurken und Blattsalaten erfolgt sind", sagte der Sprecher von Ministerin Ilse Aigner (CSU) am Mittwochabend.

Gesundheitsminister Daniel Bahr ist alarmiert über die schnelle Zunahme der Neuinfektionen und riet den Bürgern zu besonderer Vorsicht und Hygiene: "Obst und Gemüse sollten intensiv und sorgfältig gereinigt werden, die Hände sollten regelmäßig gewaschen werden." Ins Detail geht der Bundespatientenbeauftragte Wolfgang Zöller (CSU) - so seien etwa auch Küchentücher zu waschen, wenn man damit Arbeitsflächen abgewischt hat, und zwar "mindestens bei 60 Grad".

Der Virologe Alexander Kekule von der Universität Halle nannte den aktuellen Ausbruch im "Tagesspiegel" "ungewöhnlich und beunruhigend". Die auch als HU-Syndrom (HUS) bekannte Erkrankung sei selbst bei betroffenen Kindern und bei gesunden Erwachsenen normalerweise eher selten. Als "Worst Case könne nicht ausgeschlossen werden, dass das Bakterium absichtlich in Umlauf gebracht worden sei".

Seit der zweiten Mai-Woche erkranken immer mehr Personen an blutigem Durchfall und dem sogenannten HUS. Das HUS ist eine schwere Komplikation, die bei bakteriellen Darminfektionen mit sogenannten enterohämorrhagischen Escherichia coli (Ehec) auftreten kann. Die Betroffenen leiden in der Regel unter akutem Nierenversagen, Blutarmut durch den Zerfall roter Blutkörperchen und einem Mangel an Blutplättchen. "Die Zahl der schweren Verläufe in einem kurzen Zeitraum ist sehr ungewöhnlich, auch die betroffenen Altersgruppen sind untypisch", teilte das RKI mit. So seien dieses Mal anders als sonst kaum Kinder, sondern überwiegend Frauen betroffen.

Bürger können sich über das Robert Koch-Institut, die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, das Verbraucherministerium sowie die Hotline des Gesundheitsministeriums (01805 - 99 66 01) informieren.

lgr/dpa/Reuters/AFP/dapd