«Ich fühle mich hier drin sicherer als draussen», sagt Bruno Bachmann. Er versteht sich genauso als Aufseher wie als Betreuer für die Insassen. (Bild: Simon Tanner / NZZ)

«Ich fühle mich hier drin sicherer als draussen», sagt Bruno Bachmann. Er versteht sich genauso als Aufseher wie als Betreuer für die Insassen. (Bild: Simon Tanner / NZZ)

Aufseher Bachmann verbringt den Tag mit Räubern, Schlägern und Mördern. Doch er sagt: «Es ist wichtig, dass man die Insassen spürt»

Die Untersuchungshaft im Kanton Zürich galt jahrelang als die härteste der Schweiz. Das Gefängnis Limmattal dient nun als Versuchslabor für ein sanfteres Regime. Nicht allen gefällt das. Unterwegs mit Aufseher Bachmann.

Jan Hudec (Text), Simon Tanner (Bilder)
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Bruno Bachmann lässt sich jeden Morgen einsperren. Er schliesst sein Handy und andere persönliche Gegenstände ein, schlüpft in die blaue Uniform und schnallt den Gurt mit den wichtigsten Arbeitsutensilien um. Der 37-Jährige ist Aufseher im Gefängnis Limmattal in Dietikon. Seinen Arbeitstag verbringt er mit Räubern, jugendlichen Schlägern, Drogendealern und Mördern. Und trotzdem sagt er: «Ich fühle mich hier drin sicherer als draussen.»

Heute ist der Aufseher auf dem ersten Stock im Einsatz. Ein schmaler Gang mit Sichtbetonwänden und knallgelbem Boden. Es ist ein Dienstag im Mai, und sein Tagesdienst beginnt um exakt 7 Uhr 14. Aber Bachmann ist wie immer schon etwas früher da, um alles vorzubereiten, zum Beispiel die Tabletten für die Medikamentenausgabe. Einer, den er heute vor sich haben wird, ist Herr B.*, der Senior im Gefängnis, der wegen eines schweren Verkehrsdelikts sitzt.

Bachmann klopft an die graue Stahltür, öffnet die Luke, blickt kurz in die Zelle und schliesst dann die Tür auf. «Guten Morgen, Herr B. Hier haben Sie Ihre Medikamente.» B. hat bereits hinter der Tür gewartet, er will noch ein bisschen plaudern, schluckt aber zuerst die Pillen.

«Was ist denn jetzt aus meinem Heftli geworden?», will er wissen. Er hatte es dem Insassen H. ausgeliehen, der heute ins Flughafengefängnis versetzt wird. «Wollen Sie das wirklich noch?», fragt ihn Bachmann mit einem skeptischen Blick und meint dann: «Ich würde das ja nicht einmal mit Gummihandschuhen anfassen.» Gelächter. Der Zustand des Sexhefts spielt für B. jedoch keine grosse Rolle, schliesslich handelt es sich dabei um begehrte Ware. «Das Schlimmste hier drin ist, dass es keine Frauen gibt», sagt er.

«Norwegen ist mein Vorbild.
Sie haben tiefe Rückfallquoten
durch hohe Betreuung.» – Bruno Bachmann, Aufseher

Herr B. ist einer von gegenwärtig rund 350 Untersuchungshäftlingen im Kanton Zürich. Ihnen stehen 100 Aufseher gegenüber, die nicht nur dafür zuständig sind, dass keiner der Insassen ausbricht, sondern auch dafür, dass keine Informationen nach innen oder aussen dringen. Denn in der U-Haft sitzen Menschen, die dringend einer Tat verdächtigt werden und bei denen zudem Flucht- oder Verdunklungsgefahr besteht, die also Zeugen beeinflussen oder sich mit Mitbeschuldigten absprechen könnten. Der Umgang mit den Untersuchungshäftlingen ist deshalb viel strenger als mit verurteilten Tätern, und dies, obwohl in der U-Haft auch Unschuldige sitzen.

Das Regime im Kanton Zürich galt jahrelang gar als das härteste in der Schweiz: 23 Stunden am Tag eingesperrt, duschen einmal pro Woche, telefonieren verboten, sprechen mit Angehörigen nur durch eine Trennscheibe. Die Ungewissheit über die Haftdauer, der abrupte Freiheitsentzug, die soziale Isolation stürzten nicht wenige Betroffene in eine Haftpsychose. Der Umgang mit den Häftlingen brachte dem Kanton harsche Kritik der Nationalen Kommission zur Verhütung von Folter ein.

Ein Sinneswandel

Doch es brauchte ein tragisches Ereignis, um einen Sinneswandel einzuleiten. Vor vier Jahren hatte sich eine Frau, die zuvor in Flaach ihre Kinder getötet hatte, in der Untersuchungshaft umgebracht. Die damals neu ins Amt gewählte Justizdirektorin Jacqueline Fehr versprach, bei der U-Haft jeden Stein umzudrehen und die Situation zu verbessern. Seither hat sich einiges getan, und das Gefängnis in Dietikon ist gewissermassen zum Versuchslabor für den Kanton geworden. Hier wurde vor kurzem eine Kriseninterventionsabteilung für psychisch angeschlagene Häftlinge eröffnet, hier soll bald auch eine lockerere Form der Haft getestet werden. Und hier arbeitet Bruno Bachmann, der mit dem Bild des grimmigen Wärters so gar nichts gemein hat.

Er hat kurze, helle Haare, trägt Dreitagebart, Ohrringe, Tattoos, ein jovialer Typ. Auf seinem Namensschild steht «Aufseher/Betreuer». Bachmann sagt: «Norwegen ist mein Vorbild. Sie haben tiefe Rückfallquoten durch hohe Betreuung.» Er klingt manchmal fast wie ein Sozialarbeiter. «Es ist wichtig, dass man die Insassen spürt.» Er versuche, sie als Menschen zu sehen, nicht als Täter. Wenn einer auszurasten drohe, «dann gebe ich ihm auch einmal eine Sozialzigarette», sagt er. Das sei doch allemal besser, als dass der ihm die Zelle auseinandernehme.

Bruno Bachmann arbeitet seit anderthalb Jahren im Gefängnis Limmattal. Das Untersuchungsgefängnis wurde 2010 in Dietikon eröffnet und ist das modernste seiner Art im Kanton Zürich. (Bild: Simon Tanner / NZZ)
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Abgesehen vom gelben Boden dominiert im Gefängnis grau. Mindestens die Bürotüren können die Mitarbeitenden etwas aufpeppen. (Bild: Simon Tanner / NZZ)
Bruno Bachmann kontrolliert den Spazierhof, damit sich die Insassen nicht heimlich Botschaften zukommen lassen. Untersuchungshäftlinge, die der gleichen Tat verdächtigt werden, dürfen auch nicht gemeinsam auf den Hof, sonst könnten sie ihre Aussagen absprechen. (Bild: Simon Tanner / NZZ)
Die Häftlinge haben einen Fernseher in ihrer Zelle, der etwas Unterhaltung in ihren monotonen Alltag bringt. (Bild: Simon Tanner / NZZ)
Eine Stunde pro Tag dürfen die Gefangenen auf den Spazierhof. Neuerdings können sie dabei auch ihre Muskeln trainieren. (Bild: Simon Tanner / NZZ)
In einer von den Erwachsenen strikt getrennten Abteilung sind auch jugendliche Gefangene untergebracht. (Bild: Simon Tanner / NZZ)
Bruno Bachmann gehört zu einer neuen Generation von Aufsehern, die sich stärker auch als Betreuer wahrnehmen. In jüngster Zeit hat auch der Kanton Zürich Anstrengungen unternommen, das strenge Regime in der Untersuchungshaft etwas zu lockern. (Bild: Simon Tanner / NZZ)
Die Untersuchungshaft im Kanton Zürich galt jahrelang als härteste der Schweiz. Vor allem die extreme soziale Isolation machte den Insassen zu schaffen. (Bild: Simon Tanner / NZZ)
Heute essen die Häftlinge noch alleine in ihrer Zelle. Das soll sich in Dietikon aber bald ändern. (Bild: Simon Tanner / NZZ)
Neben allen Haftlockerungen spielen weiterhin auch Sanktionen eine wichtige Rolle. Insassen, die sich nicht benehmen, kommen in den sogenannten Bunker. Hier fehlen jegliche Annehmlichkeiten. (Bild: Simon Tanner / NZZ)
Bruno Bachmann richtet die Medikamente her, die viele der Insassen bekommen. (Bild: Simon Tanner / NZZ)
Die Gefangenen können zwar Post erhalten. Sie wird aber kontrolliert. (Bild: Simon Tanner / NZZ)
Zu den Aufgaben eines Aufsehers gehört auch das Verteilen frischer Wäsche. (Bild: Simon Tanner / NZZ)

Bruno Bachmann arbeitet seit anderthalb Jahren im Gefängnis Limmattal. Das Untersuchungsgefängnis wurde 2010 in Dietikon eröffnet und ist das modernste seiner Art im Kanton Zürich. (Bild: Simon Tanner / NZZ)

Es ist 7 Uhr 30, die Spazierverschiebung steht kurz bevor. Bachmann schliesst die Türen auf, die zum Hof hochführen. Ein grosses Geviert, von grauen Betonmauern umgeben, fleischkäsefarbiger Boden, der Himmel ist nur durch die Löcher eines Stahlgitters zu sehen. Neuerdings stehen an einer Wand Geräte, an denen die Insassen trainieren können. Bachmann läuft das Areal ab, schaut in jeden Winkel, unter den Pingpongtisch, hinter die Kameras. «Die Gefangenen sind kreativ darin, sich Informationen zukommen zu lassen.» Sie hätten ja schliesslich auch den ganzen Tag Zeit, sich Strategien zu überlegen. Und sie kämen dabei auf dumme Ideen.

Erst vor kurzem hätten sie bei einer Zellenkontrolle eine Tätowiermaschine gefunden, gebastelt mit dem Motörchen eines CD-Players, einer Nadel und der Tinte eines Kugelschreibers. Andere setzen mit Brot und Orangensaft Alkohol an. Solcherlei wird sofort konfisziert. «Vielen ist es schlicht unendlich langweilig», meint Bachmann.

Punkt 7 Uhr 45 öffnet er die Zellentüren auf dem ersten Stock. Die Betten müssen gemacht sein, das Zimmer aufgeräumt. Die Gefangenen stellen sich vor die Tür in den Gang und warten auf das Okay zum Abmarsch. Auf dem Weg zum Hof herrscht Ruhe. Bachmann funkt: «Spazierverschiebung Stock eins findet statt.» Die Kolonne setzt sich in Gang. Oben werden sie auf die Insassen des vierten Stocks treffen. Die Gefangenen der zweiten und dritten Etage spazieren auf dem Hof nebenan, der durch eine Mauer abgetrennt ist. Einige Insassen dürfen sich hier nicht begegnen, weil sie gemeinsam an der gleichen Tat beteiligt waren.

Bruno Bachmann läuft vor dem Spaziergang der Gefangenen den Hof ab, schaut in jeden Winkel, unter den Pingpongtisch, hinter die Kameras. (Bild: Simon Tanner / NZZ)

Bruno Bachmann läuft vor dem Spaziergang der Gefangenen den Hof ab, schaut in jeden Winkel, unter den Pingpongtisch, hinter die Kameras. (Bild: Simon Tanner / NZZ)

Bachmann schliesst die Tür wieder ab und begibt sich in ein Kabäuschen mit verspiegelten Scheiben. Er beobachtet die Gefangenen, wie sie auf beiden Plätzen immer im Gegenuhrzeigersinn monoton ihre Kreise drehen, eine Stunde lang. Andere stemmen Gewichte, rauchen. Auf einem Hof gibt es eine kleine Zusammenrottung. Probleme gebe es selten, sagt Bachmann, aber es könne schon einmal zu einer Schlägerei kommen. Dann müssen die Aufseher dazwischen. An seinem Gurt hat er ein kleines schwarzes Kästchen. «PSS: Personenschutzsender.» Drückt er ein paar Sekunden auf den Knopf oder zieht an der Schnur, geht der Alarm los. «Dann heisst es für uns rennen.»

Obwohl Aufseher Bachmann ein sportlicher Typ mit Grundkenntnissen in der Selbstverteidigung ist, wäre er gegen die bulligen Kriminellen chancenlos. Angst hat er trotzdem nicht. «Es gibt hier Gefangene, die mir im Notfall beistehen würden», ist er überzeugt. Einer davon ist P.: Glatze, kantiger Schädel, breite Schultern, Soldat mit Kampferfahrung. P. steht jeden Morgen um 4 Uhr auf, um zu trainieren. Sein Zimmer ist immer perfekt aufgeräumt, steht irgendeine Aktivität an, ist er auf die Sekunde pünktlich. Zu den Aufsehern ist er stets freundlich, stellt keinen Unsinn an, er hat Knasterfahrung. «Der will keine Unruhe hier drin haben», sagt Bachmann. Und das wissen auch die Mitgefangenen.

Hausgespenst Magdici

«Sicherheit durch Nähe», so nennen es Gefängnisleiter Daniel Bosshart und sein Stellvertreter Jan Streitberg. Damit meinen sie, dass die persönliche Beziehung zu den Gefangenen Situationen entschärfen kann. Kein freundschaftliches Verhältnis, «aber so, dass man den Insassen das Machtgefälle nicht so spüren lasst, Bitte und Danke sagt», erklärt Bosshart.

Streitberg war vor Jahren Aufseher im Untersuchungsgefängnis in Zürich, einem der ungemütlichsten Gebäude der Schweiz. Er erinnert sich an gestrenge Aufseher, die mit grossen Bartschlüsseln durch die dunklen Gänge patrouillierten und die Schlüssel gegen die Zellentüren hämmerten, dass es durch das halbe Haus hallte. Heute ist derartiges Verhalten nicht mehr gefragt. Und Bosshart fühlt sich durch die Ergebnisse bestätigt: «Wir haben weniger Disziplinarverfügungen, und die klassische Massenschlägerei kennen wir kaum.» Statistisch registriert wurden zwei Fälle von geringfügiger physischer Gewalt gegen Mitgefangene sowie fünf Fälle von Drohungen gegen beziehungsweise Beschimpfungen von Mitarbeitenden.

Doch die neue Nähe kann auch gefährlich sein. Das Gefängnis Limmattal erlangte nationale Bekanntheit, als eine Aufseherin einem verurteilten Vergewaltiger zur Flucht verhalf und mit ihm durchbrannte. «Frau Magdici ist sozusagen unser Hausgespenst, das immer noch durch die Köpfe geistert», sagt Bosshart, der zu jenem Zeitpunkt noch kein Gefängnisleiter war. Gerade dieser Vorfall sorge jedoch dafür, dass heute alle besonders achtsam seien. «Wenn ein Aufseher einzelne Insassen bevorzugt, dann kommt das sofort ans Licht», glaubt er. Zudem sind die Mitarbeiter immer wieder auf einem anderen Stock im Einsatz, so entstehen keine allzu dicken Bande zu den Häftlingen. Seit dem Fall Magdici wurden zudem organisatorische Anpassungen gemacht, so sind im Nachtdienst heute stets zwei Aufseher im Einsatz. Trotzdem sagt Bosshart: «Die Schwachstelle bleibt der Mensch.»

Der Spaziergang auf dem Hof dauert exakt eine Stunde, danach geht es zurück in die Zelle. Für Bruno Bachmann ist es nun Zeit, die Post zu sortieren und den Gefangenen frische Bettwäsche abzugeben. Ihm hilft jener Insasse, bei dem neben der Zellennummer ein kleines Schildchen mit den Buchstaben HD befestigt ist, diese stehen für Hausdienst. Ein begehrter Job, weil man regelmässig aus der Zelle kann und immerhin 12 Franken pro Tag verdient. Nur wer sich gut benimmt, kommt dafür infrage.

Bachmann pustet kurz in seine Plastikhandschuhe und streift sich diese dann über, es riecht im Gang nach Fensterputzmittel. «Ich hatte einmal einen Insassen, der hat absichtlich die Wäsche verschissen und im WC nass gemacht.» Es sei schon nicht immer ein Zuckerschlecken, sagt er und fügt mit einem Grinsen an: «Aber eigentlich ärgere ich mich über die Insassen weniger als früher über meine Kunden.» Er klopft an eine Zellentür, «Herr Z., wir kommen für Ihre Wäsche.»

«Ich frage die Leute immer: Wen wollen Sie lieber als Nachbarn? Einen Häftling, der gut behandelt wurde, oder einen, den man im Gefängnis fertiggemacht hat?» – Daniel Bosshart, Gefängnisleiter

Aufseher ist ein typischer Job für Quereinsteiger, im Gefängnis Limmattal arbeiten ehemalige Köche, Pfleger, Bäcker. Bevor Bachmann vor anderthalb Jahren seine Stelle im Gefängnis angetreten hat, war er Filialleiter im Detailhandel. Er habe gerne mit Menschen zu tun, sagt er, aber auch das Thema Sicherheit sei für ihn schon immer ein wichtiges Thema gewesen. «Man muss sich in diesem Land an die Regeln halten.» Er war als Teil der Kfor-Truppe in Kosovo, wollte zur Polizei. «Als Jugendlicher hatte ich aber ein paar Probleme, Schulden, es war damals nicht möglich.»

Später erfuhr er vom Job des Aufsehers. «Ich glaube, dass ich hier einen kleinen Beitrag leisten kann, dass Kriminelle besser resozialisiert werden.» Gerade Jugendlichen, die in Dietikon in einer eigenen Abteilung untergebracht sind, versuche er ein Vorbild zu sein, sie wieder auf die richtige Bahn zu bringen. «Natürlich geht das nicht so einfach, oft ist es schon ein Erfolg, wenn man es bei einem aggressiven Täter hinbekommt, dass er ruhiger wird.»

Um 11 Uhr 30 ist es Zeit für das Mittagessen. Zwei Häftlinge haben die aus der Haftanstalt Pöschwies angelieferten Menus in der Küche aufgewärmt. Alle anderen Insassen sitzen in der Zelle. Bachmann klopft an die Tür und öffnet dann die Luke, Herr Z. nimmt das weisse Tablett mit dem in eine Metallbox verpackten Essen in Empfang. «Mögen Sie noch etwas Brot dazu?»

Sein freundlicher Stil kommt nicht bei allen Aufsehern gut an, das weiss Bachmann. Gerade ältere Kameraden hätten zum Teil Mühe damit, «sie finden, dass wir zu locker seien, den Insassen zu viel durchgehen liessen». Der lockere Umgangston bedeute aber nicht, dass sie lascher seien in Sicherheitsfragen, «wir sind wach und aufmerksam». Nächste Zellentür, nächste Luke, nächstes Tablett: «Hier ist noch Ihr Fish-Mac, Herr R. – nein, ich weiss natürlich, kein Fisch bei Ihnen.»

«Das ist hier kein Hotel»

Mit dem Mittagessen in der Zelle soll es bald vorbei sein, «wir wollen, dass die Insassen künftig in einem Gemeinschaftsraum zusammen essen können», sagt Gefängnisleiter Bosshart. Zudem sollen ab Juli in Dietikon Häftlinge, bei denen keine Verdunklungsgefahr besteht, telefonieren und Besucher empfangen können, ohne von ihnen durch eine Scheibe getrennt zu sein.

Bosshart möchte auch die Besuchszeiten ausweiten, die Zellen tagsüber länger öffnen und mehr Hofgang ermöglichen. «Es geht darum, Haftschäden zu vermeiden, die sind teuer für die Gesellschaft», sagt er. Die grosse Mehrheit der Häftlinge laufe irgendwann wieder frei herum. «Ich frage die Leute immer: Wen wollen Sie lieber als Nachbarn? Einen Häftling, der gut behandelt wurde, oder einen, den man im Gefängnis fertiggemacht hat?» Das heisse noch lange nicht, dass die Inhaftierten verhätschelt würden. Der Verlust der Freiheit bis tief in die Tagesstruktur sei eine enorme Einschränkung. «Das ist kein Hotel hier, nur weil die Gefangenen einen Fernseher in der Zelle haben.»

Um 13 Uhr gehen die Zellentüren auf, zwei Stunden lang dürfen die Gefangenen nun ihre Zellen verlassen. Sie strömen in den Gang, besuchen sich gegenseitig in der Zelle und rauchen zusammen, der Hausdienst hilft seinem Zellennachbarn beim Schreiben eines amtlichen Briefs. Unruhe gibt es keine. «Langweilig», findet ein junger Insasse. Er entschuldigt sich bei Bachmann, dass er am Morgen gereizt gewesen sei. «Ich kann hier drin einfach nicht schlafen, mein Zellennachbar macht nachts immer einen scheiss Lärm.» Sonst sei es okay hier, mit den meisten Aufsehern habe er es recht gut. Das ist nicht selbstverständlich, in anderen Einrichtungen wollten sie ihn nicht mehr haben, weil er Probleme machte. Bachmann sagt: «Wir haben ihm nochmals eine Chance gegeben, weil er versprochen hat, dass er sich benimmt. Bis jetzt hat das geklappt.»

Der Tag endet für Bruno Bachmann mit dem Abendrapport. In der Cafeteria im vierten Stock sagt er in die Runde: «Wir hatten eine Versetzung ins Flughafengefängnis, einen Zellenwechsel von der 109 in die 101. Es sind alle da, alles läuft gut.» Dann holt Bruno Bachmann seine persönlichen Gegenstände aus dem Schliessfach, zieht seine Strassenkleidung an und geht hinaus in die Freiheit.