Kolumne

Der Mythos Kopfsalat

Unser «Marktbummler» führt uns diesmal vor Augen, wie ein scheinbar simples Grünzeug seine Perfektion entfalten kann. Dabei taucht er in Kindheitserinnerungen ab.

Peter Brunner
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Um aus einem Kopfsalat eine köstliche Speise zu bereiten, braucht’s nicht viel. (Bild: Karin Hofer / NZZ)

Um aus einem Kopfsalat eine köstliche Speise zu bereiten, braucht’s nicht viel. (Bild: Karin Hofer / NZZ)

Es gibt Speisen, die mit einer mythischen Bedeutung aufgeladen sind, wie die weltberühmten Madeleines von Marcel Proust, mit denen er in «Auf der Suche nach der verlorenen Zeit» eine Kindheitserinnerung heraufbeschwört. Wobei diese Madeleines interessanterweise ein literarisches Kunstprodukt von Proust sind, frei erfunden und nie so in seiner Kindheit erlebt.

Kindheitserinnerungen

Für sehr viele Menschen sind bestimmte Gerichte mit intensiven atmosphärischen Erinnerungen und Gefühlen aufgeladen. Das weiss ich aus meiner Zeit als Restaurantkoch, als ich ab und zu mit solch fixen Vorstellungen meiner Gäste zu kämpfen hatte. Für mich persönlich ist es ein perfekter Kopfsalat: ein praller, taunasser Kopf aus vielen hellgelben, knackigen und gleichzeitig zarten Herzblättern und einem dunkelgrünen Kranz darum herum. Eine Erinnerung an meine Kleinkinderzeit in einem Zürcher Bauerndorf.

Der perfekte Kopfsalat ist ein kapriziöses Gewächs. Er braucht viel Licht, Wasser und Wärme. Bei zu viel Hitze stängelt er aber sofort auf und wird ungeniessbar. Bei zu wenig Sonne bildet er kein schönes Herz und besteht nur aus dunkelgrünen, zähen Blättern.

Der beste Salat der Welt: ein aufgeblättertes Kopfsalatherz mit einem erstklassigen Apfelessig, Traubenkernöl, Salz, frisch gemahlenem Pfeffer, einem 6-Minuten-Ei und viel frischem Schnittlauch sorgfältig mit beiden Händen vermischt. Denn nur so kann man nach meiner Erfahrung jedes einzelne Blatt mit der richtigen Saucenmenge parfümieren.

Dieses Rezept genügt natürlich nicht als Thema für eine Kolumne, Kopfsalat ist auch vielfältiger, als allgemein bekannt ist. Man kann ihn dünsten, braten, kochen oder füllen. Im Folgenden ein paar Ideen:

Kopfsalatpüree: Einen grossen Kopfsalat halbieren und in viel Salzwasser drei Minuten kochen. Mit einem Küchentuch sehr gut trocknen und in 2 EL leicht gebräunter Butter leicht anbraten. Komplett auskühlen lassen und im Cutter fein pürieren. Mit Salz, Pfeffer, 1 Messerspitze Dijonsenf und einer Spur Muskatnuss würzen. Das tönt exaltiert, schmeckt aber wunderbar zu Fisch und ist eine Möglichkeit, auch die dunkelgrünen Blätter zu verwenden.

Kopfsalatsuppe: 1 kleine Lauchstange, 1 Zwiebel, 2 geschälte Kartoffeln sowie die dunkelgrünen Blätter und den Strunk eines Kopfsalats klein schneiden und in viel Butter 10 Minuten dünsten, mit 1 l Wasser aufkochen, je 1 Lorbeerblatt und Nelke beifügen. 30 Minuten köcheln lassen und durch ein Sieb streichen. Wir brauchen davon nur die Flüssigkeit. Mit Salz, Pfeffer, etwas Zitronensaft und etwas Sherry abschmecken. Vor dem Essen eine Schüssel rohe Salatblätter, viel Schnittlauch und 1 EL Crème fraîche beifügen, einmal kurz aufkochen und mit dem Mixstab leicht pürieren. Ein rohes Eigelb in jeden Suppenteller geben und die kochend heisse Suppe darüber giessen. Nach Belieben kann man zusätzlich frische Pfefferminz- oder Eisenkrautblätter beifügen.

Gebratener Kopfsalat mit Apfel und Ingwer: Eine Schüssel grosse Salatblätter mit 1 EL Erdnussöl und 1 EL Wasser in eine sehr heisse Bratpfanne geben. Mit einer Bratschaufel sofort wenden, bis die Blätter zusammengefallen und ganz leicht angebraten sind. Das Ganze dauert kaum zehn Sekunden. Die Blätter auf einem Teller beiseitelegen. In der gleichen Pfanne eine gehackte Knoblauchzehe, 1 KL gehackter Ingwer und je 1 fein geschnittener Apfel und Frühlingszwiebel in 1 EL Erdnussöl dünsten. Das dauert auch nur ein paar Sekunden. Mit heller Sojasauce und Apfelessig abschmecken und die Kopfsalatblätter darin wenden.

Der Autor beantwortet Fragen rund um Markt und Küche: marktbummler@menu-dujour.ch.